Singlereise Indonesien 2014
Solo auf Bali, Lombok und Java - vielleicht!
Auf der Suche nach Göttern und Dämonen - vielleicht...
...nach umwerfenden Landschaften - vielleicht...
...und grandiosen Einblicken - vielleicht...
...fremden Lebensumständen - vielleicht...
Am 10. November 2014 steigt der Flieger in den Himmel! - Sicher! Ticket gekauft!

12.11.2014 - Sanur/Bali
Ein Zwölfstundenflug ist eindeutig Tortur.
Nicht nur der dürftigen Beinfreiheit oder der absonderlichen Verrenkungen im Schlafmodus oder der nervösen Zuckungen in Muskeln undNervenbahnen wegen oder wegen der vielen Zeit, die einfach nicht vergehen will. Gerade mal über der Türkei, über Isfahan, Afghanistan, Karachi, dem indischen Subkontinent - gleich mehrere Stunden - und lange über dem Indischen Ozean, dann über den goldenen Tempeln von Myanmar, über der Andamanenküste Thailands und später von Malaysia. Nein, zu dieser körperlichen gesellt sich auch noch die geistige Folter.
Vor allem, wenn ein geschwätziger Pole aus Danzig neben dir sitzt, dich in sein europäisches Herz geschlossen hat und in gewagtem Englisch und ununterbrochen Zweifelhaftes, weltanschaulich Bedenkliches absondert und jeder 2. Satz mit „i’m not a rassist, but...“ beginnt und er dir „crazy russian people“ oder „fuckin’ crazy Putin“ vorspielt.
Nur selten gelingt es dir, durch glaubwürdiges in den Schlaf Fallen oder durch überlanges Kauen des zähen Hühnercurrys seine Missionierung zu unterbrechen oder gar zum Verstummen zu bringen.
Nach also insgesamt 20stündigen unablässigen Reisestrapazen sitzt du um 7 Uhr Ortszeit endlich alleingelassen in einer unbelebten Ecke des Internationalen Flughafens von Kuala Lumpur, wartest auf den Anschlussflug nach Denpasar und merkst, dass dein Denken merkwürdig high im Kopf herumgeistert.
Drei Stunden später empfängt dich die altbekannte schwüle Wand asiatischer Ankünfte und augenblicklich zählst du im Schweiß aufgelöst ein dickes Bündel indonesischer Rupien, die dir der immerlächelnde Teenager für die beiden Euroscheine rübergeschoben hat.
Die Fahrt im religiös überdekorierten Taxi durch ein ausgeklügeltes und modernes Straßensystem von Südbali bis Sanur erinnert dich an die vielen Kamikazefahrten, denen du dich in Asien schon ausgeliefert hast. Es geht meistens um Zentimeter.
Aber dann, als du den „Putri Homestay“ nach langem und hartnäckigem Suchen des
Taxidrivers gefunden hast und den Familienkomplex der Familie betrittst, in dieser Sekunde kommst du in Bali an und bist schlagartig verzaubert.
Die ausgeschmückten Familientempel mit den großen chinesischen Porzellanvasen,
den geschnitzten Dämonen in vielen Winkeln, den Vogelkäfigen, das Blütenmeer der verschieden farbigen Frangipani- und Flammenbäume, die andächtige Stille, die blütengefüllten Bananenblätter, für die Götter, Geister und Dämonen als Opfer auf die Steinornamente des Paradiesgartens wie zufällig ausgelegt, rauben dir den Atem und du findest dich wieder in einem rauschartigen Zustand des Glücks.
Wie beim ersten Asienbesuch, damals in Bangkok.
Und dann noch das befreiende und offene Lachen der Menschen.
So ähnlich müssen die Gefühle in einem möglichen Paradies sein!
Friedvoll und übervoll mit Glück!
Das auch das Bild, das Bali durch Berichte und Fotoreportagen der Dreißiger Jahre in der westlichen Welt genoss und das zu den enormen Touristenströmen an die Strände des Südens führte.
Nach einer dunklen Nacht mit wenig Schlafunterbrechung weckt mich in der Morgendämmerung der fremde Gesang tropischer Vögel im Garten draußen. Noch etwas Gedöse und ich sitze vor dem Zimmer im Garten auf der breiten Hockbank und lausche in die Stille des Morgens hinein.
Es gibt so viel zu bestaunen.
Ein nettes Frühstück mit viel Mango, Papaya und Wassermelone im duftenden Garten und ich gondle mit dem Fahrrad durch die Straßen von Sanur. Danach 2 Stunden am tollen Strand entlang. Phantastisch!
Viel Buntes überall und ein paradiesisches Resort neben dem anderen, meist in großen Gärten mit riesigen und alten Bäumen, der Strand mit allen Schikanen und nur vereinzelten Touristen, die in dem ganzen Luxus fast verloren scheinen.
Dafür hocken oder liegen große Gruppen von Balinesen im Schatten der indischen Mandelbäume, die so tun, als wären sie Cashewnuts, essen und palavern, winken dir zu und lachen.
Das Leben findet eindeutig auf dieser Seite statt, wenngleich die Balinesen sicherlich auch mit etwas Neid auf die Touristen schauen. Klar!
In den engen Stichgässchen hinunter zum Meer findest du Wettstreit des Luxus. Eine Villa neben der anderen, alle hinter hohen Mauern, nur überragt von duftenden Blütenbäumen und den hohen strohbedeckten Dächern der traditionellen balinesischen Häuser.
Die Villa des deutschen Honurarkonsuls fällt dagegen etwas kümmerlich ab.
Nachdem ich einen kalten Mangoshake und eine Nudelsuppe genossen habe im "Coconuttree", ein junges Warung direkt vor meinem Homestay, schlafe ich ein Stündchen. Ich habe mich nämlich entschlossen, diese Schönheit Balis ganz langsam zu genießen und meine Zeit erst einmal hier zu verbringen. Bis ich satt bin und den Drang nach Neuem verspüre. Denn diese Überfülle an Schönheit von Architektur und Tempelritualen überfordert meine Sinne.
Ich bin einfach nicht fähig, alles Gesehene in nur einem Moment wahrzunehmen.
14.11.2014 - Beach von Sanur
Am Spätnachmittag schwang ich mich nochmals aufs Rad und bei dieser Fahrt dämmerte mir in der Dämmerung, was es heißt, Bali während der Regenzeit zu besuchen.
Am Morgen im Garten war es noch heiß, die Himmel unfassbar blau ohne jedes Wölkchen, am Nachmittag türmten sich schon weiße bis graue Wolkenungeheuer am Horizont auf.
Zunächst verfinsterte sich der Himmel ordnungsgemäß in der Dämmerung. Eine bedrückende Dunkelheit ließ die kommende Nacht erahnen und die Sintflut ebenfalls. Ich verdrückte mich gerade noch rechtzeitig in ein Warung auf dem Weg.
Erste Riesentropfen dann, das leichte Platschen auf überdimensionierten Bananenblättern, erst schüchterner Guss, dann wie auf ein geheimes Zeichen das Gewitter, das im Sekundentakt Blitze und Donner schleudert. Straßenüberflutung innerhalb weniger Sekunden.
Unter dem Bananenblattdach des Warung „Sri Dewi “ beobachte ich trocken die huschenden Geistergestalten auf der anderen Straßenseite, die sich zwar in ihr durchnässtes Schicksal längst gefügt haben und dennoch mit großen Sätzen irgendwohin fliehen.
Eine zwar manchmal beängstigende Naturgewalt, aber solche Intensität und Lebendigkeit bietet eben nur die Regenzeit. Eine halbe Stunde Faszination und die Vorstellung war frühzeitig beendet.
Noch an hoffentlich anderer Stelle bin ich froh, dieses Mal in der Regenzeit zu reisen. Nach dem Süden werde ich wahrscheinlich nach Zentralbali in das Künstlerstädtchen Ubud fahren, das von großen Reisterrassen umgeben ist, die während der Regenzeit alle im saftigen Tropengrün erstrahlen sollen. Oh, du wunderschöne Regenzeit!?
Nun will ich etwas über die junge Besitzerin „Ayu“ meines „Putri Homestay“ erzählen. Ayu ist Anfang bis Mitte Dreißig, hat einen kleinen einjährigen Sohn, den sie meist auf dem Arm durch den Garten trägt und sie ist mit „Ida Bagus“ verheiratet, der nur wenig englisch spricht, dafür aber umso mehr lächelt.
Mehrere Männer (die in ihren Sarongs und den weißen Bärten wie Gelehrte durch den Garten schreiten) und Frauen tummeln sich je nach Tageszeit im Garten des Familienkomplexes, ebenfalls immer lächelnd. Und dann noch die Bethelblatt rauchende, zahnlose Alte im Sarong, deren ledrigen und schlaffen Brüste oft vorwitzig aus der geöffneten Bluse schaukeln. Sie lächelte anfangs nie - erst jetzt, wenn sie mich sieht. Dafür stellt sie ständigen Kontakt zu Ahnen, Geister und Dämonen her, indem sie Früchte und Blüten, in Bananenblätter gewickelt, in Winkeln, an Tempeln und auf dem Boden vor den Toren auslegt und Räucherstäbchen entzündet. Ansonsten geistert sie eher schon abwesend durch das Gelände.
Ayu’s Familie ist groß. Bei einem Abendessen habe ich schon mal 35 Personen gezählt.
Was man ganz wunderbar an den Namen Ida Ayu und Ida Bagus ablesen kann, ist die Tatsache, dass Ayus Familie aus der hohen Brahmanenkaste kommt.
Auf ganz Indonesien herrscht der Islam vor, auf Java und Sumatra gibt es gar noch kleine Sultanate. Die etwa 4 Millionen Balinesen aber sind zu 93% Hindus.
So weit, so gut.
Eigenartig aber wird es, wenn man erfährt, dass etwa 90% der Hindus hier der unteren Kaste der Sudras angehören und nur etwa 3% den drei oberen Kasten (Brahmanen, Ksatriya und Wesiya).
Dies hat damit zu tun, dass durch die Islamisierung der Inseln die ostjavanischen hinduistischen Herrscher der Majapahit um 1500 aus Java vertrieben wurden und ihr Reich nun in Bali aufbauten, indem sie die hinduistisch-animistische Bevölkerung
(vorwiegend Reisbauern) dominierten.
Dummerweise hatten sich aber in deren "Subak" genannten Dorfgemeinschaften schon vor 3000-2000 Jahren ein Gemeinschaftsgefühl des Teilnehmens und Teilhabens (wir würden es Solidarität nennen) herausgebildet und zwar als direkte Folge der Nassreiskultur auf Bali mit ihren komplizierten Bewässerungssystemen. In den heute noch etwa 1200 Subaks (eben jene Dorfkooperativen mit etwa 200 Mitgliedern und einer Feldfläche von etwa 50 bis 100 ha) auf ganz Bali haben egalitäre und demokratische Praktiken überlebt, die dem elitären Kastensystem total entgegengesetzt blieb.
Aber zu „Subak“ und der Dorfrepublik „Banjar“ später noch mehr.
Interessant dabei ist, dass heutige Brahmanen sich bemühen, keineswegs arrogant zu erscheinen, auch schon mal als Barkeeper oder eben als Homestaybetreiber arbeiten und im Banjar auch nur 1 Stimme haben.
Allerdings, die Brahmanen leben eben in einem palastähnlichen Familienanwesen, „Griya“ genannt, wie auch Ayu’s Familie.
Zu ihrem „Griya“ gehören auch die 8 Zimmer des Homestay, allerdings außerhalb des Familienbereiches. Der besteht aus einem großen tropischen Garten mit vielen exotischen Bäumen mit duftenden Blüten in allen Farben, von einer großen Mauer mit einem tempelähnlichen Eingang umgeben. Neben den offenen Gebäuden der Familie steht im Zentrum des Gartens der geschmückte Familientempel, ebenso diverse kleine Altäre oder Schreine für die Geister- und Ahnenverehrung.
In solchen Schreinen findet man neben unzähligen holzgeschnitzten Figuren irgendwelcher Götter, auch Buddha, natürlich Brahma, Vishnu, Shiva & Co, aber auch so weltliche Figuren wie Mahathma Ghandi oder Dalai Lama.
In einem Pavillon steht auch eine beeindruckende „Barong Ket“-Figur, ein löwenähnliches, gutmütiges und menschenfreundliches Fabeltier, von 2 Männern nach klaren Regeln und Rhythmen getanzt (wie ich heute Nachmittag bei einer Probe beobachten konnte), das beim Barongtanz, dem Drama des ewigen Kampfes der entgegengesetzten kosmischen Kräfte, das Gute gegen die furchterregende und natürlich böse Hexe „Rangda“ repräsentiert.
Ein Hinweis für diese Verehrung und die Dämonenbeschwichtigung sind die vielen Blüten in Bananenblätter eingewickelt, die wie zufällig am Boden oder vor Altären ausgelegt sind, auch vor dem Eingangstor zum kleinen Garten der Homestayzimmer.
Dass die Familie über Geld verfügt sieht man auch daran, dass, obwohl das Homestaygebäude noch jung und gepflegt ist, inzwischen an einem neuen Komplex mit wieder 8 Zimmern gebaut wird, in Designermanier um einen Pool angeordnet.
Die vielen jungen Bauarbeiter - obwohl von morgens bis in die Dunkelheit arbeitend und immer lächelnd - kommen ganz bestimmt nicht aus der Brahmanenkaste.
17.11.2014 - Ubud (Hauptstadt der Malerei und des Kunsthandwerks)
Das Aufregende am Reisen ist, dass man einen schönen Ort verlässt, weil man ihn schon etwas kennengelernt hat, und in einem neuen ankommt, wo man wieder entdecken wird.
Nach dem Frühstück im Putri Homestay bin ich mit dem Bus hierher gefahren und Madey hat mich samt Gepäck mit einem Moto in die „Hibiscus Cottages“ gefahren.
Häuser und Zimmer im großzügigen balinesischen Stil mit viel Tropengrün im Garten, am Rande der (leider) abgeernteten Reisfelder gelegen. Traumhaft und groß die Anlage mit umwerfendem Frühstück (zumindest im Loose wird vom besten Omelett Balis geschwärmt - hat mich geködert), das man auf der Terrasse im 3. Stock einnimmt. Eine gigantische Aussicht!
Aber vor dem Neuen erst die Aufarbeitung des Alten:
Am Samstag - auf dem Weg zum Meer - war ich Zeuge eines „Pengabenan“, einer Leichenverbrennung auf dem Verbrennungsplatz direkt am Meer.
Ein archaisches und faszinierendes Erlebnis!
Schon die täglichen Rituale von Ayu sind es, wenn sie im Sarong mit dem „Legong“, dem Gebetsschal um die Hüfte gebunden die Opfergaben verteilt und alles mit dem heiligen Wasser weiht. Ich bin jedes Mal von der Hingabe beeindruckt.
Aber eine balinesische Leichenverbrennung ist wie ein tiefer Blick in die hinduistisch-animistische Seele und ihren ganzen Kosmos.
Dazu muss man wissen, eine Verbrennung direkt nach dem Tod können sich nur reiche Brahmanenkasten leisten, denn sie ist sehr kostspielig und zeitaufwändig. Also müssen sich die Sudrafamilien oder -Clans mit mehreren Familien zusammentun. Und es kann dadurch vorkommen, dass im Verbrennungssarkophag nur noch ein paar Knochen und ein Häufchen Elend liegen.
Bis zur Verbrennung aber gilt die Seele noch als unrein.
Bei der heutigen Verbrennung am Meer von Sanur wurden nun also 5 Leichen hintereinander verbrannt und zwar nach folgendem Ritual:
Ausgehend vom Friedhof zieht ein riesige Menschenmenge, alle in fast einheitlicher traditioneller Kleidung, im Zick-Zack durch die Stadt, unter Gelächter und mit viel Lärm zum Verbrennungsplatz. Dadurch sollen die bösen Dämonen verwirrt werden und die Seele der Verstorbenen soll den Weg nicht mehr zurückfinden.
Mehrere junge Männer, traditionell und in einem T-Shirt des Banjar gekleidet, tragen den „Wadah“, ein aufwändig mit bunten Stoffen und Papier geschmückte Bambusturm( die Höhe sagt etwas über den Rang oder die Kaste aus), in dem die Leiche im einfachen Holzsarg ruht, durch die Straßen.
Am Verbrennungsplatz, der sich auch in diesem Fall direkt neben dem Pura Dalem (dem Unterweltstempel) befindet, wird die Leiche mit viel Getöse aus dem Wadah herausgeholt, mit heiligem Wasser übergossen, von den nächsten Verwandten mehrmals im Kreis um einen vorbereiteten Tiersarkophag aus Bambus herumgetragen und dort hineingelegt. Die vielen Opfergaben werden beigegeben und schließlich wird der Sarkophag mit einem überdimensionierten Bunsenbrenner angezündet.
All dies wird begleitet von Trommeln und den Gongs eines Gamelan-Orchesters des Banjar und von grandiosem Lärm der gar nicht traurigen, aber umso geschäftiger wirkenden Menschenmenge. Inzwischen kommt die nächste Leiche samt Begleitung auf dem Verbrennungsplatz an.
Später wird noch der Wadah und sämtliche Überreste verbrannt, danach die weiße Knochenasche aufgesammelt und in einer weiteren festlichen Prozession dem Meer übergeben. Jetzt ist die Seele endgültig vom Körrper befreit und die Möglichkeit der Wiedergeburt eröffnet.
Leider habe ich von der Verbrennungszeremonie nur Videos gemacht. Hier Fotos von den Überresten.
Diese Verbrennungszeremonie in ihrer Ursprünglichkeit und emotionalen Intensität ist ein eindrucksvolles Fest im Kalender der Balinesen und wie ich später gelesen habe, folgen noch viele Zeremonien in der Familie nach, bis die Seele ihre Ruhe und einen Platz im Ahnenschrein der Familie gefunden hat.
Der Körper als bloße Hülle der Seele.
Mit diesem Gedanken habe ich schon oftmals gespielt.
In der Kindheit, dessen bin ich mir sicher, habe ich alle Dinge, die mich umgaben, die Sterne, den Himmel, die Tiere, das Zifferblatt einer Uhr, die Gesichter der Wolken als beseelte Wesen erfasst und erstaunlicherweise wurde mein Körper von mir nicht wahrgenommen. Bestenfalls die Wunden an ihm bei den häufigen Unfällen. Ansonsten blieb er mir gleichgültig, damals.
Das änderte sich schlagartig mit der Pubertät. Jetzt war plötzlich das Aussehen wichtig. Man verglich sich mit anderen. Verschönerungen und Verschleierungen standen auf der Tagesordnung.
Als diese hässliche Zeit überwunden, ich mich der Erwachsenenwelt angepasst hatte und mit mir im Reinen war, bildete sie manchmal gar eine Einheit, mein Ich (was war das genau?) und mein Körper.
Erst mit dem allmählichen Schwinden der Körperkräfte und dem mitleidserregenden Verfall wurde mir mein Körper immer fremder und ich hatte doch tatsächlich das Gefühl, dass mein zeitloses Ich (als solches sah ich mich eigentlich immer) aus dem alternden, dem Verfall ausgelieferten Körper gewissermaßen herausschauen könnte.
Vielleicht - so habe ich heute am Strand nach den aufwühlenden Erlebnissen am Verbrennungsplatz gedacht -, vielleicht ist ja meine Sehnsucht im Alter nach den einfachen Lebensweisen der Völker ein Rückfall in einen Animismus der frühen Kindheit, als ich im Gras lag und in den vorbeitreibenden Wolken Tiere oder ganze Kontinente sah.
So finde ich auch den Satz von Paul Auster in seiner neuesten Biographie-Fassung „Bericht aus dem Inneren“ richtig:
„Ungeachtet meiner äußeren Erscheinung, bin ich noch immer, wer ich war, auch wenn ich nicht mehr derselbe bin.“
In meiner Rolle als interressierter, aber fremder Beobachter sitze ich am Strand von Sanur, genieße den Moment des warmen Sonnenuntergangs draußen am Horizont und die Anstrengungen der Natur, dich mit außerordentlichen Inszenierungen zu erfreuen und in den Bann zu schlagen. Das immerwährende Brausen kraftvoller Naturgewalt der Brandung am Cliff, mehrere hundert Meter vom Strand entfernt, die gigantisch hohen und zerklüfteten Flammenbäume und das fast zärtliche Spiel mit ihren Fächern im Wind, die Hunde, die am Strand kleine Schaukämpfe vollführen, die Masseusen, die ihr lebensfrohes Lachen in den Reihen der krebsroten Touristen ausbreiten.
Unbeeindruckt und ohne das geringste Lampenfieber - will mir scheinen - spielen die beteiligten Spieler routiniert ihr Spiel vor deinen Augen, nicht um dich aus der Ruhe zu bringen, aber doch auf jene gleichgültige Art, die dich durch ihre Unendlichkeit und gleichzeitige Professionalität in Spannung hält.
Mit vollzogenem Untergang (in diesem Fall nur der Sonne) scheint es, dass die wenigen Touristen, die verloren auf ihren Pritschen lagen, sich langsam davonschleichen, ohne großes Aufsehen zu erregen, und sich in ihre Luxusunterkünfte flüchten.
Sie wollen nicht wie die Balinesen - obwohl sie es aus der Ferne durchaus interessiert betrachten - in großen Gruppen im Schatten eines Baumes hocken und schnattern, stundenlang, nicht verrenkt und unkomfortabel in einem Winkel schlafen, nicht gemeinsam mit den Fingern aus dem Reistopf essen. Und die wollen sie alles nicht, obwohl sie ein für sie doch unverständliches Interesse daran haben. Und sie diese einfachen Menschen mögen. Aus welchen Gründen auch immer, wissen sie kaum.
Sie wissen wohl, in einer anderen Welt zu wohnen, deren Ordnung sie zu Hause und in ihren Resorts wiederfinden.
Vielleicht ist es die Trauer über die Kürze des Aufenthaltes hier und über das Wissen, dass ihr Leben hier von den Balinesen sprichwörtlich in Kauf genommen wird.
Jedenfalls erscheinen sie fremd und verloren.Trotz ihrer großen Anstrengung um Fröhlichkeit und Leichtigkeit.
Sie lächeln gerne über so viele Götter und vergessen, wie sehr sie schon anderen Göttern anheim gefallen sind.
Der Dreieinigkeit von Individualität, Erfolg und Geld, nur zum Beispiel.
Ein Holländer, - auch auf Bali ist es so wie anderswo, dass überdurchschnittlich viele Touristen aus der ehemaligen Kolonialmacht (neben den Australiern) Urlaub machen - darauf angesprochen, warum die Balinesen dir in die Augen schauen und lächeln, erklärt dies mit ihrer Unsicherheit, mangelndem Selbstvertrauen, also eigentlicher Unterwerfung. Mag schon sein.
Aber ist das Traurige dieser Erklärung dann nicht, dass das Nichtbeachten des Europäers, sein krampfhaft in die Ferne gerichteter Blick, Ausdruck von Unnahbarkeit und Selbstüberschätzung ist?
Die Menschen auf Bali leben in einer anderen Ordnung der Welt.
Denn das Leben spielt sich hier im Schoße der Gemeinschaft oder - für den urbanen, westlich orientierten Menschen - in deren Fesseln ab.
Und diese Ordnung des Kosmos ist auf Bali überall sichtbar.
Oben, im Norden, bei der Kette von Vulkanen (der Gunung Agung, mit 3142m der höchste und damit der heilige Berg) ist der Bereich der Götter, unter der Erde und auf dem Boden, unten am Meer hausen die Dämonen und dazwischen leben die Menschen. Ähnlich dieser Ordnung ist der Mensch ebenfalls dreigeteilt. Der Kopf gilt als der heiligste Teil (berühre nie den Kopf eines Balinesen!), der Körper der Wohnort der menschlichen Seele und die Füße gelten als unrein, da sie mit dem Boden, also den Dämonen in Berührung kommen. Daher sitzen Balinesen gerne im Hocksitz auf einer breiten Hockbank oder auf dem Stuhl. Das geht sogar so weit, dass kleine Babys von ihren Müttern ständig herumgetragen werden, denn beim Krabbeln würde auf sie ja das Dämonische und Unreine übergehen.
Durch die nie abreißende Kette von Zeremonien am ganzen Tag ist ein Balinese mindestens ebenso häufig und intensiv mit seinen Göttern, Ahnen und Dämonen verbunden wie mit den Menschen seiner nächsten Umgebung, so komisch sich das anhört.
Auch das Dorf eines Subak ist ähnlich in Nord-Süd oder Berg-Meer-Richtung gegliedert. Im Norden bergwärts liegt der Familientempel, die Schlaf- und Wohnräume in der Mitte und die Küche und Abfallgrube unten und seewärts.
Und wie schon diese Äußerlichkeiten einer sichtbaren Ordnung unterworfen sind, ist es auch der Ablauf des Tages und des ganzen Lebens. Der balinesische Kalender regelt eine Menge von Beschäftigungen. Er schreibt die vielen Tempel- und Familienfeste vor, aber auch die Termine wichtiger Betätigungen. Zum Beispiel gibt es günstige Zeiten für eine Reise, den Bau eines Hauses, das Fällen eines Baumes usw. oder auch die günstigen Tage für die persönlichen Feste und Riten.
Es werden im Kalender 5 verschiedene Riten unterschieden:
Dewa Yadnya - Riten für die Götter
Pitra Yadnya - Riten für die Ahnen
Rsi Yadnya - Riten für die Hindu-Heiligen
Manusia Yadnya - persönliche Übergangsriten
Bhuta Yadnya - exorxistische Riten zur Besänftigung bzw Vertreibung der Dämonen
Ziel all dieser Regeln ist das Gleichgewicht der gegensätzlichen kosmischen Kräfte von Gut und Böse aufrechtzuerhalten, man könnte auch sagen, die Widersprüche des Lebens dialektisch aufzuheben. Denn der Idealzustand des Balinesen ist nicht der Sieg des Guten (das ist unmöglich), sondern das möglichste Gleichgewicht der Kräfte.
Gestern ein Tag mit Suda, dem sehr höflichen, distinguierten Fahrer, der mich nach allen Regeln der Verkehrssicherheit (sehr außergewöhnlich für Bali)
im niegelnagelneuen Mazda durch Bukit Badung, die südliche Halbinsel von Bali chauffiert. Suda, 34 Jahre alt, wohnt mit Frau und Kind in Sanur, kommt aber aus einem Subak nahe Klungkung im Osten. In der vollen Mittagshitze wandern wir zuerst über Holzstege kilometerlang durch einen Mangrovenwald am Meer
und zwar so lange, bis das T-Shirt total durchgeschwitzt und das bisschen Frisur irgendwie hinüber ist.
In diesem Aufzug stolpern wir danach über den westafrikanisch anmutenden Fischmarkt von Jimbaran. Zumindest erinnert mich das Chaos hier stark an den Fischmarkt von Cape Coast in Ghana. Fisch wird nach diesem Anblick sicher keine Leibspeise.
Die nächste Station, der Puru Ulun Siwi in Jimbaran, der bedeutendste Reisbauer- und Subaktempel Balis war, natürlich, geschlossen. Allein ein riesiger Banyanbaum stand für ein Foto zur Verfügung.
Ein kleiner Abstecher an die Surfstrände der Halbinsel - Palang Palang Beach, bekannt durch den Film Eat, Pray, Love mit Julia Roberts
und der Surfstrand von Bulungan mit ausgesprochen großen Wellen, an dem am Wochenende ein surf- und music-Festival stattfand (sehr cool, sehr easy going) -
brachte mir den Surf-Live-Style keinesfalls näher - eher im Gegenteil. Die lässige Zurschaustellung ist nicht meine Welt. Wann immer uns im Ulu-Surfer-Paradies Fahrzeuge begegneten, waren es in der Regel Mopeds mit sonnengebräunten Jungs oder dürftig bekleideten Mädels, an der Seite ganz cool das Surfbrett und das blonde lange Haar weht im Fahrtwind. Obwohl Helmpflicht besteht. Mögen ja trotzdem nette Boys sein.
Ganz unten im Süden der Bukit Halbinsel und Balis liegt einer der sechs heiligsten Tempel hoch über einem Kliff am Meer. Der „Pura Luhur Ulu Watu“ thront auf einer über 100 Meter abfallenden Klippe, umtost von Gischt und Meer. Als dem Meer zugewandt ist er dem Gott Shiva geweiht, dem Gott der Vernichtung und Auflösung, dem man auch schwere Stürme und Seuchen zuschreibt. Vor allem Fischer bitten hier um göttlichen Beistand.
Im Tempel selbst kann man zwar nicht in jede Nische glotzen, da das Heiligtum für Atheisten nicht zugänglich ist (obwohl ich mir einen Sarong und den dazugehörigen Gebetsschal zugelegt habe. Wie es sich geziemt), aber allein die Lage und das Treiben der vielen Tempelaffen ist den Besuch wert. Immer wieder ist das Geschrei groß, wenn eine Kamera oder Sonnenbrille von einem Makaken stibitzt wird.
Vor Sonnenuntergang begann dann in einer Arena am Felsen die einstündige Aufführung
des „Kecaktanzes“. Ein wirklich absonderliches Spektakel, das mir erstmals das „Ramayana-Epos“ zum Leben erweckte. Im Schein der züngelnden Flammen einer großen Öllampe singen sich 100 Kecaktänzer mit dem hypnotischen „cak-cak-cak“ in „Trance“
und reich geschmückte Figuren mit faszinierenden Masken tanzen mit viel Ironie die Geschichte des Prinzen Rama,
die mit dem heißen Feuertanz des rettenden Affengenerals Hanuman den Höhepunkt erreicht.
Eine schwer zu übertreffende Performance balinesischer Kultur. Toll!
20.11.2014 - Ubud
Ubud ist ganz sicher der wichtigste Ort von ganz Zentralbali. Umgeben von Reisterrassen, Palmen- und Bananenhainen, vielen ursprünglichen Dörfern, Schluchten und dem Panorama der Vulkane, die im Norden wie an einer Perlenkette aufgereiht sind. Wunderschön!
Blick von meiner Terrasse
Ideal also für die verschiedensten Ausflüge. Gestern Abend auf einem Spaziergang durch den nördlichen Teil des Städtchens war ich jedenfalls überwältigt von der balinesischen Ästhetik, den Palast-, Haus- und Gehöftanlagen, dem vielen Grün, den bunten und duftenden Blütenbäumen, den Statuen und Wasserspielen, Blumenbrunnen und Ornamentfussboden, den geschnitzten Holzfassaden und Portale. Außerdem - hätte ich genügend Dollars in der Tasche - ich würde ganze Lastwagenladungen an Geschnitztem, Gewobenem, Versilbertem, Gemaltem, Geflochtenem, Geschlagenem und Gebogenem nach Hause schicken lassen. So schön sind hier die Produkte des Kunsthandwerks, möglicherweise durch die Anwesenheit vieler in- und ausländischer Künstler auch. Eine Stadt jedenfalls mit viel Inspiration.
Mit dem Fahrrad durch Ubud. In der Knallhitze.
Schon nach einer Stunde bin ich erschöpft und total verschwitzt. Habe aber auch gesehen, wie bei meinem Start Frauen in spitzen Strohhüten in eben dieser Gluthitze ein Reisfeld abgeerntet haben. Wie glücklich darf ich sein!
Habe gesehen, wie junge Mädchen, wohl vom Land nach Ubud gekommen, in eben dieser Gluthitze Bastkörbe voll mit Sand oder Steinen auf dem Kopf zu irgend einer Baustelle getragen haben. Für welchen Lohn machen sie das?
Wie glücklich darf ich sein! Im Moment meiner größten Anstrengung bestelle ich mir einen Mangoshake oder ich entscheide mich für den Affenwald von Ubud.
Der liegt im Süden der Stadt um den Unterwelttempel Pura Dalem, bietet jede Menge Schatten und wird von 300 Makaken bevölkert, die friedlich und teilweise auch aggressiv in alten Banyanbäumen herumturnen, offerierte Bananen oder Erdnüsse vernaschen, Schöntun und auch mal was stibitzen, den einen oder anderen anstehenden Streit austragen, sich der Morgentoilette widmen, mal ein Minütchen vögeln und überhaupt gerne menschliches Verhalten nachäffen.
Noch einige Besichtigungen: Pura Desa Ubud (der Haupttempel von Ubud), der Markt, der Wantilan (eine Art riesiger Aula/offene Halle für wichtige Ereignisse), Puri Saren Agung (Palast einer Brahmanenfamilie des 19.Jhd und ab 1930 Palast des damaligen Königs), und einige besonders prachtvolle Exemplare weiterer Puris. Und dann ist Schluss. Vollkommen am Ende der Kräfte ziehe ich mich für 2 Stunden Schlaf in mein Gemach zurück.
Und eines ist wohl klar, Radtouren, wie ich sie mir vorgestellt habe, in der Affenhitze geht gar nicht.
Es wird auch noch von Tag zu Tag heißer, scheint mir. Zur Mittagszeit in der größten Hitze streiche ich zur Zeit regelmäßig die Segel und falle für 2 Stunden in Ohnmacht. Heute nach einer 2stündigen Radtour durch die Reisfelder, die tatsächlich grün und im
Saft stehen, einige Felder aber sind abgeerntet, andere wiederum schwarz abgebrannt. Das Bewässerungssystem der Subaks hier ist umfassend und teilweise raffiniert. Und da Wasser bekanntlich talwärts fließt, muss ich auf schlechten Wegen immer bergauf. Mehr als eine Stunde lang halte ich das aus. Dann breitet sich allmählich die Sinnfrage aus und ich kehre um.
Sind die Körpersäfte nach dem Schlaf wieder zurückgekehrt, verspüre ich noch immer keinen Drang nach Gluthitze, die sich nicht nur in deine Haut brennt, sondern auch in den Körper schleicht und ausbreitet, alle Kraft aus dir herauszieht. Also verbringe ich die Nachmittagsstunden im Schatten des Gartens. Sehr angenehm.
Noch vor drei Tagen war ich der festen Meinung, die Umgebung von Ubud mit dem Fahrrad zu erkunden. Aber schon in Ubud bin ich an Grenzen gestoßen, nicht nur der Hitze wegen. Nein, Richtung Norden geht es in Bali eben mal bergauf zu den Vulkanen, manchmal unverschämt steil, aber immer aufwärts, ohne Ende in Sicht. Ist eigentlich klar. Die Reiskultur benötigt jede Menge Wasser und das kommt von den Vulkanen im Norden und verteilt sich in raffinierten Systemen zu jedem einzelnen Feld und immer talwärts.
Auf der Tagestour, die ich heute gemacht habe, habe ich mich tausend Mal einen Glückspilz genannt, diese Tour gebucht zu haben. Mit dem Rad wäre ich tausend Tode gestorben bei diesen Steigungen. Und wenn unser Van eine Steigung im ersten Gang gerade mal mit letzter Anstrengung geschafft hat, habe ich mich genüsslich in die Lehne gedrückt. Was ein Glückspilz!
Augenbetörend dann die Reisfelder von Tegallalang in einem saftiggrünen und komplett terrassierten Tal, an dem nördlich, ständig bergauf, immer noch in den grünen Terrassen und einer herrlich steilen Schlucht, das Heiligtum Gunung Kawi liegt. Diese Schlucht dürfen wir in exakt 384 Stufen hinunter - und später wieder hinaufsteigen, was viel mehr Spaß macht.
Ganz in der Nähe besuchen wir dann das Quellheiligtum Purta Tirta Empul, ein sehr beliebtes hinduistisches Wallfahrtsziel,
wobei beim Baden im heiligen Wasser nicht nur der Körper, sondern selbstverständlich vor allem die Seele gereinigt wird. Eine Gruppe westlicher (wahrscheinlich) Teilnehmer eines wohl sündhaft teuren Yoga-Workshops praktizierten gerade mit im Westen selten gesehener Hingabe und Langsamkeit diese totale Selbstreinigung. Man kam sich vor wie beim Filmset von „Eat, pray and love“, mit dem einzigen Unterschied, dass einige der "Statisten" diese malerische Szene mit einem Selfie festhielten.
Einer der Höhepunkte war dann kurz vor Kintamani der Ausblick, getrübt durch riesige Schwaden von Hochnebel, auf den majestätischen Gunung Batur,
einem mit 1730 m noch aktiver Vulkan und dem recht großen Batur-See. Eine riesige Mondlandschaft, bei der sich nach dem letzten Ausbruch vom Jahr 2000 erst in weiterer Umgebung des Batur-Sees und der Caldera wieder Grün ausgebreitet hat.
Auf der Rückfahrt Richtung Gianyar ging es nun fast nur noch bergab durch viele ähnliche Dörfer, deren balinesische Struktur wir in einem besichtigten.
Vishnu-Tempel am bergseitigen Ortseingang, Tempel in der Ortsmitte, Shivatempel am seeseitigen Ortsausgang.
Die Gehöfte der Reisbauern reihen sich rechts und links der Nord-Süd-Dorfstraße, umgeben von hohen Mauern mit den typischen verzierten Holztoren, viel Steinfiguren und -türmchen, viele Duftpflanzen an der Straße und in den Gärten.
Bei Bangli besichtigten wir noch kurz mit dem Pura Kehen, der von einem 400 Jahre alten Banyanbaum überragt wird, den letzten Tempel des Tages.
23.11.2014 - Ubud
Diese Hitze zur Zeit, unter der auch die Balinesen stöhnen, lässt Bewegung ungestraft nicht zu. Ich bin also in eine Art Starre gefallen, hier im Schatten von Haus und Garten, lese, trinke Tee. Manchmal, wenn eine Abwechslung nötig ist, gehe ich die 50 Schritte auf die ruhige Jalan Bisma mit den netten kleinen Warungs oder Cafés. Dort sitze ich dann wieder, lese, trinke diesmal Saft, z.B. einen kalten Minz-Lemon-Shake
( Sehr lecker!) und beobachte.
Kann mir mal jemand sagen, warum Amerikaner in Lokalen so laut miteinander reden müssen, dass das gesamte Lokal wohl oder übel zuhören muss. Und wie sie die Wörter zerdehnen und zerfetzen und in der tiefsten Mundhöhle regelrecht zermalmen. Ich wäre an einer fundierten Analyse echt interessiert. Heute saß sich ein Pärchen gegenüber - hatte sich, nehm ich mal an, in Ubud getroffen - und parlierte nun ununterbrochen in einer Lautstärke aufeinander ein, dass man das Gefühl nicht los wurde, hier wird demnächst der Krieg erklärt. Zum Glück ist mein englisch - und vor allem mein amerikanisch - limitiert, so dass ich mich phasenweise aus dem sinnentleerten Kauderwelsch verabschieden konnte. Dann aber zog mich allein die Theatralik der Gesten und Mimik wieder in ihren Bann. Vermutlich nach einer der amerikanischen VIP-TV-Talkshows am Spiegel eingeübt. Man muss schon sagen, präsentieren können sich die Amerikaner. Aber muss das denn immer so laut sein. Also, wie gesagt, ich bin für jeden Tipp dankbar. Im übrigen, am Nebentisch saß ein deutsches Pärchen. Und das flüsterte fast miteinander.
„Mir ist die große weite Welt lieber als eine Beschreibung von ihr.“ , sagte Roland Topor. Ein knapper Satz für eine große Sache. Mir geht es wenigstens so, dass ich zwar geographische Kenntnisse von der Welt habe, sicher schon etliche Beschreibungen gelesen und Bildbände durchgeblättert habe und dennoch - erst wenn ich ein Land bereist habe, mir dessen Tempo, Sitten und Gerüche zB angetan habe, entsteht bei mir ein Begriff, eine Ahnung, wie dieses Land tatsächlich sein könnte. Bei jeder Erwähnung dieses Landes tauchen sofort Bilder von Begegnungen, Erlebnissen, Menschen im Kopf auf.
Ein Plädoyer also für das Reisen.
Mit Reisen ist in meinem Sinn aber nicht gemeint, wie man in einem fremden Land unterwegs ist. Ob allein, ob zu zweit, ob in einer Gruppe, ob im schrägen Outfit oder mit kurzer Hose, ob gründlich vorbereitet oder spontan entschlossen, ob per Fahrrad oder im Rollstuhl, ob heimatverliebt oder Kosmopolit, alles Schall und Rauch, alles ohne Bedeutung. Alles.
Denn nur ein Einziges entscheidet über den Wert einer Reise und den Sinn des Fortgehens: die Neugier, der Wissensdurst, die Freude am Entdecken, der Hunger nach allem.
Aber ich sehe hier nicht wenige, die zehntausend Kilometer geflogen sind, um tagelang auf der Liege am Strand rumzulungern, um sich nach einem Besuch bei Mc Donalds stundenlang vor der Hotelglotze zu räkeln. Mal abgesehen von den alten Säcken (wie ich einer bin), die zum Kübelweise-Heiniken-Saufen nach Fernost reisen, links und rechts untergehakt von Kindfrauen. Dies ist auch eine Art zu reisen heute: von einem Freiluftpuff ins nächste, als Schnäppchenjäger sozusagen auf der Suche nach der billigsten Hure oder dem billigsten Bier.
Wie auch immer.
Ob Tourist oder Backpacker oder Reisender, der Unterschied existiert für mich schon lange nicht mehr. Ich habe so viele Idioten gesehen, ob mit Dreadlock oder Scheitel. Komischerweise auch auf dieser Reise bisher.
Für mich ist wichtig: sind sie mit Respekt unterwegs, mit „Weltbewusstsein“. Weil sie suchen, was ihnen fremd ist, wildfremd. Weil sie in den Schatten ihrer eigenen Sichtweisen treten wollen.
Denn wie auch immer die Reise ausgeht, so ist sie immer die Möglichkeit, sich bewusst zu werden, was unser Globus alles zu bieten hat: an Wohl- und Schandtaten.
Und noch ein Aspekt zuletzt, der bitterböseste und traurigste.
In der Bibel wird propagiert, „Mach dir die Erde untertan!“ und nicht nur Christen haben sich diese Aufforderung längst zum Lebensmotto gemacht.
Und sie sind in vielen Ländern dabei, die Vielfalt und die Buntheit radikal abzuschaffen.
Wie ein unbesiegbarer Virus verseucht uns diese Gier. Die größte aller Seuchen.
Vor Tagen las ich im Internet, dass der Verkauf von Webcams sich in den letzten Jahren vervielfacht habe. Jene Kameras, die aus Wohnzimmer, Dusche und Bett direkt ins Internet übertragen. Wie aufschlussreich. Das Leben bleibt genauso trübe, aber die Mittel, dieses Leben aufzuzeichnen, also der Illusion zu verfallen, es wäre aufregend genug, es den vielen vorzuspielen, diese Illusion nimmt rapide zu.
Die ganze Landschaft in Zentralbali besteht aus Dörfern von Reisbauern.
Wenngleich es auch in der Umgebung von Ubud ganze Dörfer gibt, in denen nur Holzschnitzer leben, oder Töpfer, oder nur Tische hergestellt werden, oder Steinfiguren, ganze Weberdörfer oder Färberdörfer, in einem Dorf werden Papierdrachen verkauft, im anderen filigrane Schattenspielfiguren, hier gibt es die bestem geschnitzten Holztüren, dort wird der beste Silberschmuck fabriziert.
Dennoch: Bali und seine Reisbauern gehören zusammen erwähnt.
Auf einer Sunset-Tour zu einem der wichtigsten Tempel auf Bali, dem „Pura Tanah Lot“
haben wir diese Reisterrassen und diese strukturierten Dörfer wieder und wieder gesehen, dass ich das speziell balinesische Phänomen des „Subak“ hier erklären möchte.
In Bali hat sich seit der Enstehung des raffinierten und komplizierten Bewässerungssystemes vor etwa 2000 bis 3000 Jahren als direkte Folge der Nassreiskultur ein ausgeprägtes Gemeinschaftsgefühl entwickelt. Durch die Beschaffenheit der Insel war die Bewässerung für die Felder eines einzelnen Reisbauern nicht möglich. Dadurch schlossen sie sich zusammen in Dorfkooperativen, „Subak“ genannt. Die Mitglieder treffen Entscheidungen in allen religiösen und dörflichen Fragen auf den mindestens alle 35 Tage stattfindenden Subak-Versammlungen nach dem Prinzip Beratung und einstimmige Entscheidung. Periodisch wird ein Subak-Vorstand gewählt, der Versammlungen im Dorf-Bale (Versammlungspavillon) leitet und darauf achten muss, dass die Entscheidungen umgesetzt werden. Jedes Subak hat in der Dorfmitte einen Dorftempel, welcher der Reisgöttin Dewi Sri geweiht ist. Hier findet das wichtigste Fest zu ihren Ehren statt, das Erntedankfest. Und da in den letzten Wochen auf vielen Feldern Reis geerntet wurde, fanden in fast allen Dörfern, die wir am Samstag Abend durchfuhren, dieses „Ngus-aba Nini-Fest“ statt. Sehr beeindruckend, wie die etwa 200 Menschen in traditioneller Kleidung (weißer oder schwarz-weißer Sarong, weißes Hemd und die weiße gebundene Haube) eng beieinander im geschmückten Tempel auf dem Boden saßen und dem Dorf-Gamelan-Orchester lauschte.
Ein fast schon militärisch anmutender Anblick von Disziplin in der Gemeinschaft!
Am Felsentempel sind sich ganze Abordnungen der Völker gegenseitig auf die Füße getreten, sind sich im Fotomotiv gestanden, haben systematisch jede Aussicht
genommen. Wer je schon mal eine 50köpfige chinesische Reisegruppe vor irgendeiner Sehenswürdigkeit erlebt hat, der weiß, von welchem Erlebnis ich spreche. Obwohl sich die Sonne lange hinter Wolken verbarg, spielte sie zur rechten Zeit dann doch ein wenig und unter dem Gegonge eines Gamelan-Orchesters bei der Sunset-Tour mit.
Wenn der Gecko elf Mal ruft, ist das ein Zeichen für Glück! Ich habe gestern Nacht genau gezählt. Genau elf Mal, was wirklich selten ist. Jetzt bin ich aber gespannt, was passiert.
25.11.2014 - Lovina
Selamat pagi, Kläussche und alle!
Gestern Abend habe ich mir auf den letzten Drücker im alten Königspalast von Ubud
eine Tanzvorstellung angesehen. Schon die Musik des Gamelan-Orchester ist auf die
Dauer (die Vorstellung dauerte gut 90 Minuten!) gewöhnungsbedürftig, wenngleich um ein Wesentliches schwungvoller als die Superzeitlupenmusik thailandischer höfischer Musik. Die gekünstelten Legong-Tänze, zur Belustigung und Zerstreuung der Herrscherfamilien am Hofe erfunden, sollen ja das balinesische Ideal weiblicher Schönheit verkörpern.
Die Gesten und gezierten Bewegungen, vor allem der Hände und Finger, und der starre, wechselnde Gesichtsausdruck erinnert mich manchmal eher an etwas Maschinelles, Puppenhaftes. Dennoch fasziniert insgesamt die Buntheit, die goldglänzenden Brokatkostüme und Masken (beim Kristanz und dem Tempeltanz Baris) und die fast schon sportliche Leistung der Tänzerinnen und Tänzer.
Ein letzter Morgen in Sanur.
Und der Gunung Agung war auch heute Morgen von der Dachterrasse nicht klar zu sehen.
So wurde ich von Ganesha jeden Morgen auf der Terrasse begrüßt und an der Tür
stand diese Opferschale.
Apropo: Diese Frau geht zu ihrem Tempel in der Nähe. Man sieht es am Sarong und dem Tempelschal.
Nach dem „besten Omelett von Bali“, (Ich nehme an: Karotten, Frühlingszwiebeln, etwas Sellerie, etwas Tomate, alles sehr fein und dünn in Streifen geschnitten und mit 2 Eiern verquirlt, Schärfe dazu und den Teig in eine heiße Pfanne geben. Kurz anbraten lassen, Hitze stark reduzieren und langsam braun anbraten, wenden und fertig, wenn auch die andere Seite braun und das Omelett fest ist. „Enak“!) einem großen Teller Obstsalat aus Papaya, Ananas, Wassermelone, Mango und Bananen und einem Schnitz Limette, 2 Tassen Tee ziehe ich meinen Koffer in der beginnenden Hitze die 100 Meter zum Pick-up-Punkt der Busgesellschaft Perama an den Reisfeldern vorbei. Der Himmel ist blau mit leichten Wolken, die Straße leer, als sei es Sonntag Morgen in Deutschland.
Heute geht es nach Lovina, erst der langsame Aufstieg an grünen Reisfeldern oder an
solchen, die gerade abgeerntet werden, an aufgeräumten Subakdörfern vorbei, wobei wir kurz eine Kaffee-und Kakaoplantage anschauen.
Oben auf etwa 1000 m Höhe sind die Vulkane der Gegend schon von schwarzen Wolken verhüllt.
Beim Halt am Kratersee Danau Bratan beginnt es zu regnen, was hier oben normal ist, wie der Fahrer sagt. Die Menschen der Hänge und Berge bauen auf jedem Fleckchen, auch an unmöglichen Terrassen Früchte und Gemüse an, die am Straßenrand in wackligen Ständen zum Kauf angeboten werden.
Neben den üblichen tropischen Obstsorten wie Orangen, Zitronen, Limonen, Ananas, Papaya, Melonen, Mango, Bananen, Rambutan, Mangosteen, Drachenfrucht, Passionsfrucht, Sternfrucht, Longan, Lychee, Rosenapfel, Pomelo, Jackfruit, Durian, Sapote, Salakfrucht, Kokosnuss findet man hier auch Erdbeeren und sogar blaue Trauben.
Als wir den alten Kraterrand verlassen und durch neblige Hochwälder hinunter an den schwarzen vulkanischen Strand im Norden fahren, regnet es immer noch. Kein tropischer Regen, nur das leichte Nieseln Mitteleuropas, das uns fast bis in die Ebene begleitet. Dort unten am Meer ist der Himmel wieder blau.
Die Stadt Lovina ist eigentlich keine Stadt.
Der ausgedehnte Strandabschnitt zwischen den Dörfern Pemaron, Tukad Mungga, Anturan, Kalibukbuk, Kaliasem, Temukus und Banyualit, etwa 12 km westlich von Singaraja sind zum mittlerweile größten touristischen Zentrum des Nordens zusammengewachsen. Da das ruhige Meer und der schwarze Sand keine braungebrannten Surfer anzieht, geht es hier jedoch noch sehr geruhsam zu.
Ich habe mich für den Strand entschieden, obwohl ich eigentlich in Munduk, einem kleinen Nest am Bratan Massiv, Station machen wollte. Von der Familie und anderen habe ich aber erfahren, dass man in Munduk wohl aussteigen kann, aber von dort nur noch mit teurem Taxi wegkommt. Im Bus stiegen auch tatsächlich 2 nette Mitfahrer in Munduk während des Regens und Nebels aus und, ehrlich gesagt, die taten mir tatsächlich etwas leid. Denn der Ort ist als solcher nicht zu erkennen, ist eher ein Straßendorf, langgezogen am ehemaligen Kraterrand und etwas unwirtlich. Hier ankommen bedeutet schon gehobenes Backpacking, da die beiden ganz gewiss einige Kilometer marschieren mussten, bis sie eine geeignete Unterkunft gefunden hatten. Ich wünschte mir, dass sie ihr offenes Lachen an diesem Tag nicht verlieren sollten.
An diesem Beispiel wird auch sofort das Reiseproblem auf Bali klar. Das Busnetz ist schwach ausgebaut, denn die überwiegende Zahl der Ausländer sind Pauschaltouristen und die fahren mit privaten Touren (am Tag mit Fahrer etwa 50-60 USD). Obwohl Bali nur etwa 150 km in Ost-West- und 80 km in Nord-Süd-Richtung misst, du also kaum weite Strecken zurücklegen musst, erreichst du mit öffentlichen und billigen Bussen nur wenige Orte. Eine andere Art zu reisen. Ich habe beschlossen, statt wie sonst alle Orte, die ich erfahren möchte, jetzt nur wenige Stationen anzusteuern und von dort aus die Umgebung zu erkunden.
Ein Auto zu mieten ist vielleicht möglich, aber in Zentralbali, bei den vielen Dörfern und dem dichten Straßennetz mit einem Fahrzeug irgendwohin zu wollen, ist nicht ganz so einfach. Die Straßen sind eng und kurvenreich, in der Höhe ungesichert, viele Motos surren wie die Hummeln um dich herum, keine Verkehrszeichen, Regeln?, keine Hinweisschilder, nichts. Du fährst in einem Labyrinth, aus dem du nie wieder herausfindest. Wenn du eine Tankstelle siehst, musst du sofort tanken, denn du weißt nicht, ob es nicht die letzte ist für heute. So ist das.
Und bei einem Moto bist du noch schneller auf der Verliererstraße. Wen ich auch gefragt habe, hatte schon einen kleineren oder größeren Unfall. Zumindest hier im verkehrsreichen Zentralbali.
Meine Balireise verkommt nun beinahe zur Spa- und Wellnessreise. Nach meinen beiden bisherigen Zimmern in den Familiengästehäusern, die alles andere als spartanisch waren, habe ich nun für denselben Preis (19 Euro) ein Zimmer mit gutem Frühstück und duftendem Tropengarten mit Pool im Suma Hotel direkt am ruhigen Strand erwischt, das - ich muss es so sagen - echt der supergeile Hammer ist, Alter.
26.11.2014 - Lovina
Mensch, Bela, habe ich tatsächlich so ein schlimmes Wort verwendet. Ich glaub, das kommt von der Hitze hier.
Dass du krank bist, hört sich aber gar nicht gut an. Husten und Bauchweh! Warst du schon beim Onkel Doktor? Der gibt dir sicher ein Medikament und dann wird's besser, gell?
Aber das mit dem Bauchweh kenn ich. Habe ich zur Zeit öfter. In den dümmsten Situationen muss ich auf die Toilette rennen. Aber jetzt stell dir mal vor, du sitzt gerade auf dem Rücksitz eines Moto und merkst, ich muss jetzt ganz dringend. Oder dir hat gerade ein Affe die Sonnenbrille geklaut (sagt man das? lieber stibitzt) und du merkst, jetzt geht "es" gleich in die Hose.
Na, ja, so ist das halt in Bali!
Übrigens, der Pool ist viel größer als auf dem Bild
oder so
oder so
und er wird von dem großen Elefantengott Ganesha bewacht.
Heute Abend esse ich übrigens ein"Babi Guling" (muss man vorbestellen). Das essen die Leute auf Bali gerne auf Festen und ist ein Spanferkel (so eins, wie die Frau trägt).
Das ist echt "enak" (lecker). Natürlich bekomme ich nur eine Portion, das reicht. Dazu gibt es dann "Gado Gado", ein kalter Salat aus gekochtem Gemüse, der mit Erdnusssoße angemacht ist, und "Lontong", ein im Bananenblatt gekochter Klebreis. Ich sag dir!
Dazu noch ein eiskaltes "Bintang" (sag ich jetzt nicht, was das ist) und der Himmel auf Erden beginnt zu singen.
Vor 2 Tagen war ich auf einer Kaffee- und Kakao Plantage.
Das da unten auf dem Tisch sind Kakaobohnen und die geöffnete Frucht.
Das war interessant. Dort gab es ein Tier, genannt "Luwak",
und mit dem wird ein besonders guter Kaffee hergestellt. Wie, erzähl ich dir später.
So, Bela, jetzt mache ich Schluss, denn ich muss ins Dorf marschieren und einige Dinge erledigen.
Du kannst dir noch überlegen, was ich dir als Geschenk von der Insel Bali mitbringen soll. Einzige Bedingungen: es darf nicht zu groß und zu schwer sein, denn es muss in den Koffer und den muss ich noch tragen können,(verflixt, jetzt wollt ich schon wieder "gell" sagen. Diese Hitze aber auch.)
Jetzt wünsch ich dir gute Besserung und ich freu mich auf das Wiedersehn.
Halt die Ohren steif (ich weiß, das geht ziemlich schwer) und fühl dich umarmt von
Opa Klaus
PS.: Lass dir von Papa oder Mama doch mal auf der Karte die kleine Insel Bali zeigen.
Sie ist etwa 14000 km von dir entfernt und man braucht 15 Stunden mit dem
Flugzeug. Das ist ganz schön viel.
28.11.2014 - Lovina
Von Anfang an war ich heute in Form. Ich hatte Großes vor.
Nein, nicht die Delfine verfolgen. Das bringe ich nicht übers Herz, der Auslöser für die Hetzjagd auf diese klugen Viecher zu sein. Auch nicht den in der Nähe gelegenen „Brahma Vihara Arama“ als 26. Tempel zu besichtigen. Wie die Menschen sind sich balinesische Tempel nämlich alle ziemlich ähnlich. Natürlich mit den großen und gewaltigen Unterschieden. Aber die brauche ich nur von Zeit zu Zeit. Heute nicht.
Ich wollte mir eigentlich ein Fahrrad leihen, um damit die kleinen Dörfer an der Küstenstraße abzuklappern, „Locals“ erleben und vielleicht mit ihnen irgendwie ins Gespräch zu kommen.
Zum Bikeverleiher waren es etwa 700 m, eine Kleinigkeit. Ich kam mit einer ganzen Menge Locals ins Gespräch auf dieser Strecke. Etwa so:
„Hello, how are you?“ - „Oh, fine. And you?“ - „What’s your name?“ - „Klaus, and you“ - “My name is Made. Where are you going? Do you have plans? Can I help you?““
Bis hierher kannte ich schon das Gespräch, wusste leider auch schon, wie es weiterging. Er oder sie sucht einen Sponsor. Macht zur Zeit keine Geschäfte. Wenig Touristen. Zu Hause der kranke Sohn oder die Oma. Sie braucht Medikamente. Die ganze Leier. Kein bisschen Phantasie. Immer die gleiche Masche. Ich arbeite mich von einem zum nächsten Local vorwärts und habe auf den 700 m nichts über das Land und die Menschen erfahren. Die haben ganz andere Sorgen. Wollen mit mir nicht über die Regierungspolitik, nicht über eine Demo in Jakarta, die ich im TV gesehen habe, auch nicht über die praktische Seite von Subak- und Banjarsystem plaudern, und schon gar nicht über ihr wirkliches Leben.
Das „Schöne“ und der Gipfel an diesem Spießrutenlauf war, dass der Bikeverleiher gar keine Fahrräder zu verleihen hatte. „Sorry!“
Nach einem zweiten Durchgang - der Weg nämlich zurück - lag ich am Pool und dachte nach. Über mich und meine Reise hier. Irgendetwas lief schief. Ich wusste nur noch nicht was.
„Gehen sie in sich, wenn ihnen nicht graut davor!“ Dieser rabiate Imperativ stammt von Gottfried Benn.
Weil man Zeit hat auf Reisen ist es tatsächlich ein äußerst befriedigendes Mittel, um mal einen Blick zu riskieren, in die eigene schöne Seele und auf die vielen Schatten über ihr.
Üblicherweise traf ich bei den anderen Reisen im Bus, Zug, im Songthaew und Minivan, im Tuk-tuk eine Menge anderer Reisender, meistens junge, auch schon mal ältere, oft schräge Typen aus aller Herren Länder (was ist das für eine Floskel?) und man kam immer ins Gespräch. Am gemeinsamen Ziel hatte man meist auch ähnliche Interessen, suchte eine saubere, nette und billige Unterkunft, gemeinsam. Schwups unternahm man einiges zusammen.
Hier auf Bali scheint alles anders. Die Pauschaltouristen reisen schon mal alleine, im private taxi und im selben Hotel sind sie gerne auch alleine. Und wenn nicht, dann hab ich etwas gegen ihre Art, lustig zu sein.
Pauschaltouristen reisen einfach anders, wollen in ihren 2-3 Wochen Zeit entspannen, etwas Luxus und Annehmlichkeiten haben und albern auf eine bestimmte Art mit dem oft bemitleidenswerten Personal herum und wollen nur ab und zu auch mal was sehen vom Land, in einer teuren Tagestour. Heute reiste hier zB. ein holländisches Ehepaar in meinem Alter ab. Sie waren 4 Wochen im Hotel und Pool, hatten 2-3 kleinere Ausflüge in dieser Zeit und kommen schon seit 10 Jahren immer ins Suma Hotel von Lovina, denn dort haben sie Freunde („Die sind ja so was von nett!“).
Mir sind solche Verallgemeinerungen selbst ein Gräuel! Aber das Gemeine an Klischees ist doch, dass sie oft unverschämt wahr sind.
Aber das soll mir ja alles recht sein, nichts dagegen, wenn man mich nicht dazu zwingt.
Man muss nicht reisen, um ein einigermaßen glückliches Leben zu führen. Und es ist gewiss nicht so, dass Reisende die besseren Menschen wären. Weiß Gott (oder wer?) nicht. Und auch nicht die Begabteren. Sie sind vielleicht nur die Frustrierteren, die irgendwann den Frust im eigenen Land nicht mehr aushalten, sie dann die Sehnsucht nach anderem packt und abhauen.
Um nochmals daran zu erinnern: Ich liege ja nur am Pool auf der Liege und denke nach, was anders ist beim Reisen auf Bali.
Vielleicht nur die Tatsache, dass ich am Pool liege?
Ein Beispiel für interessante Leute, die ich auf Reisen getroffen habe, war ein junges amerikanisches Liebespaar, das nach Laos gekommen war im letzten November, weil sie beide wissen wollten, wie das Land aussieht, in dem ihre Regierung den „Geheimen Krieg“ geführt hat. Sie waren beide Studenten - und fragten, fragten, fragten.
Diese Haltung hat mir imponiert und mir war klar, diese Neugierde ist der wichtigste Grund für das Reisen.
Auf Neugier aber habe ich bisher verzichtet, habe mich auf das Leben der Gastfamilien beschränkt und ansonsten beobachtet.
Was, zum Teufel (ich weiß, Bela, rutscht mir so raus) ist der Grund für dieses Nichtfragen?
Schüchternheit? Faulheit? Gesichtsverlust? Keine Schwäche zeigen wollen? Weiß ich nicht.
Aber was hat einer in der großen weiten Welt verloren, wenn er sich weigert, sich nach ihr zu erkundigen? Nichts.
Also, das Reisen gehört jenen, die staunen, wenn sie die Welt sehen, weil es so vieles gibt, was sie noch nicht kennen. Und mit weniger Pathos.
Warum nicht einfach die Menschen fragen?
Habe ich dann gemacht, gleich am Nachmittag. Und dabei gleich zwei „Nyomans“ kennengelernt. Auf Bali gibt es viele Nyoman. Die Sache ist nämlich so. Wie alles hier ist auch die Namensgebung Regeln unterworfen. Das erstgeborene Kind - egal ob Junge oder Mädchen - heißt immer Wayan, Gede oder Putu, das zweite Kind immer Made, Kadek oder Nengah, das dritte Nyoman oder Komang und das vierte Ketut oder Ktut.
Durch die von der Regierung propagierte Familienplanung „Zwei Kinder sind genug“ wird es absehbar wohl gar keine Nyomans oder Ketus auf Bali mehr geben.
Allerdings, und das muss man auch wissen, haben Balinesen im Laufe des Lebens noch andere Namen. Einen bekommen sie erst 210 Tage nach der Geburt (der Grund war wohl, dass viele kurz nach der Geburt starben) und die weiteren sind für uns zu kompliziert. Nur ein Beispiel: sollte ein Kind/Jugendlicher sich eine schwere Krankheit zuziehen, kann der Name geändert werden, um die Krankheitsdämonen zu verwirren. Mehr, glaube ich, muss man nicht wissen.
Zurück zum ersten Nyoman des gestrigen Tages.
Er ist 26 Jahre alt, arbeitet seit 10 Jahren (!) im Hotel, verheiratet seit 5 Jahren und hat 2 Kinder (Sohn Gede, 3 Jahre und Tochter Nengah, 6 Monate). Eigentlich kommt er aus einem kleinen Dorf, das er sehr liebt und in das er bei jeder Zeremonie heimkehrt. Und es gibt sehr viele Zeremonien. Seine Eltern sind wie der Großteil aller Sudras Reisbauern und das Leben dort ist sehr hart und ärmlich, wie er sagt. Deshalb hat er sie auch immer mit Geld unterstützt, wenn es möglich ist. Was nicht immer der Fall sein kann.
Nyoman ist glücklich und zufrieden mit seinem Leben und mit der Hotelchefin, die ihn ab und zu mal mit 100 000 Rupien (=ca 7 Euro!) unterstützt, wie er sagt. Er strahlt auch eine große Zuversicht aus und lächelt fast immer. Heute Nachmittag, nach Ende der Arbeit, hat er mich mit seinem Moto zum ATM im nächsten Dorf gebracht und mir dabei noch das Zentrum von Lovina gezeigt. Beeindruckend wenig zu sehen.
Im übrigen habe ich jetzt beschlossen, einen Tag länger zu bleiben, damit ich Morgen früh um 6 Uhr doch noch aufs Meer zu den Delfinen fahren kann. Verantwortlich dafür ist Bela, dem ich hoffentlich ein Photo von springenden Delfinen schenken kann.
Der zweite Nyoman arbeitet in einem der Restaurants in der Straße. Er ist 32 Jahre alt und - wie könnte es anders sein - verheiratet, hat drei Kinder (ratet mal, wie die heißen) und kommt ebenfalls aus einem Subakdorf ganz in der Nähe, wohnt aber jetzt in Kalibukbuk. Während wir ein Bier zusammen trinken, erzählt er von den Schwierigkeiten mit dem Tourismus. Die vielen Hotels und Restaurants, die es hier am Strand gibt, sind im Juli und August - man kann es sich kaum vorstellen - komplett ausgebucht (vor allem mit Australiern und inzwischen auch von Japanern und Chinesen, die dann große Ferien haben), danach ist alles das ganze Jahr fast leer, mit Ausnahme weniger Wochen um Weihnachten herum. Ich bin in seinem sehr teuer erstellten und vor 2 Jahren eröffneten Lokal der einzige Gast und so sieht es überall aus. Leere!
Nyoman II hat mir heute Abend CDs mit Gamelan- und Bamboomusik (wie er sagt) gebracht, weil ich gestern erwähnt habe, dass ich traditionelle balinesische Musik suche.
Er hat mir auch erzählt, dass seine Schwester in Penang/Malaysia als Kellnerin lebe und dass es etwa 3 Millionen Balinesen wie sie gäbe, die im Ausland irgendwo arbeiten. Bestimmt ist es nicht einfach, in der Fremde zu leben, wenn man gewohnt ist, in einer sehr eng geführten Gemeinschaft heimisch zu sein und man kann sich das schwermütige Heimweh der Auslandsbalinesen gut vorstellen.
Ein Aspekt dieses Gemeinschaftsgefühles ist das Subakdorf, ein anderer das Banjar. Das ist ein gesellschaftlicher Verbund, in dem selten mehr als 70 - 80 Familien (nicht nur Reisbauern, sondern Vertreter aller Berufe und Schichten/Kasten) zusammengefasst sind, was bedeutet, dass größere Dörfer oder Städte in mehrere Banjars aufgeteilt sind.
Das Banjar regelt alle religiösen und wirtschaftlichen Fragen sowie wichtige lebensbegleitenden Zeremonien (wie Heirat oder Verbrennung),
wobei alle Entscheidungen einstimmig gefasst werden müssen, was häufig lange Beratungen verlangt, damit ein Projekt umgesetzt werden kann.
Bei den Projekten muss jedes Banjarmitglied mitarbeiten oder kann sich mit einer „Zeitwährung“ (in Rupien umgerechnet) freikaufen, was von der Gemeinschaft aber schnell geächtet wird.
In jedem Banjar gibt es ein „Bale“, eine öffentliche Versammlungshalle,
in der man sich zu Beratungen trifft oder auch zu einem Schwätzchen. Sie liegt meist neben dem Markt und einem alten Banyanbaum, dem Heiligen Baum der Hindus, und gleich daneben findet man den „Wantilan“, die Hahnenkampfarena.
Um den Dorfplatz herum stehen an Markt- oder Festtagen mehrere „Warungs“, einfache Essensstände, natürlich von den Frauen betrieben. Die überhaupt - so hat man den Eindruck - die treibende Kraft im Dorf sind. Sie sieht man gern irgendwo arbeiten, während die Männer im Schatten schlafen oder ihre Kampfhähne streicheln.
So ist die Natur halt eingerichtet. Da hat Erdogan ganz recht. Man sieht es ja überall. Warum daran rütteln?
Jedenfall bin ich heute rausgefahren. Ganz früh. Kurz nach Sonnenaufgang. Leider waren auch schon andere da. So entwickelte sich ein Hase-Igel-Spiel, bei dem die Delfinmeute eindeutig den besseren und gesünderen Eindruck machte.
Denn Delfine sind sehr schnelle Schwimmer und machen sich gerne einen Spaß daraus, irgendwo aufzutauchen, so dass alle Boote in diese Richtung hecheln,
um dann 5 Sekunden später an ganz anderer Stelle ihre Sprünge zu vollführen. Leider konnte ich die Tümmler nur kurz mit dem Video einfangen,
beim Foto kam ich - wie man sieht - immer zu spät.
- zu spät!
Dennoch der Sonnenaufgang über dem Meer von Lovina war ein kleiner Trost.

01.12.14 - Amed
Noch ein Nachtrag zum Suma Hotel und Lovina.
Als ich am letzten Morgen auf das Moto zum Busbahnhof wartete, war am Eingang gerade ein Angestellter damit beschäftigt, in zwei mit Wasser gefüllten Schalen Blüten zu legen. Er ordnete die Frangipani- Bougainvillea-oder Hibiscusblüten geduldig und liebevoll so auf der Wasseroberfläche an, dass sich farbige Muster ergaben. Damit war er noch beschäftigt, als mein Moto kam und ich Abschied vom Personal nahm. Kann man es sich vorstellen, dass ein Angestellter in einem deutschen Hotel einen Teil seiner täglichen Arbeitszeit für eine solche Arbeit „verschwendet“?
Auf der Fahrt von Lovina wird jetzt die bis dahin fruchtbare Landschaft zusehends trockener.
Abgesehen von kümmerlichen Lontar-Palmen gedeiht wenig in diesem halbwüstenartigen Landstrich unterhalb des großen heiligen Berges, dem „Gunung Agung“, der für die Balinesen der Mittelpunkt der Welt ist. Gewaltige, erstarrte Lavaströme ziehen sich von der kahlen Nordflanke des Vulkans bis zur steinigen Küste. Ab und zu weiden hier tatsächlich Ziegen und auch Kühe, die die wenigen grünen Halme abknabbern.
Die trockenste Region Balis ist gleichzeitig auch die ärmste. Jetzt sieht man weniger aufwändige Familienbesitzungen hinter hohen Mauern, sondern immer häufiger einfachste Bambushütten mit Strohdächern.
Die kargen Fischerdörfer Amed, Jemeluk, Lipah und Selang an der fernen Nordostküste Balis haben sich erst in den letzten Jahren langsam zu einem beachtlichen Touristenzentrum entwickelt, deren Besucher wegen der Ruhe und Abgeschiedenheit oder zum Tauchen und Schnorcheln hierher kommen.
Untergekommen bin ich sehr schön und angenehm im „Bila Restaurant & Bungalows“ in Amed, (Bila ist ein Baum mit einer großen, ungenießbaren Frucht)
das der Tauchlehrer Oliver Radosav vor 2 Jahren mit seinem balinesischen Partner Ketut eröffnet hat.
Oliver, 41 Jahre alt, erfüllt sich hier einen Lebenstraum als Ergotherapeut und passionierter Tauchlehrer. Auf die Frage , warum gerade hier, sagt er:
“Die Menschen hier in Bali leben in einer Hochkultur die sehr lebendig ist. Balinesen sind Ästheten und sie lieben schöne Dinge so wie ich selbst auch. Ihre hinduistischen Zeremonien sind im Alltag allgegenwärtig , wunderschön und auch für “Fremde” erlebbar.
Die Menschen sind gerade in den ländlichen Regionen, wie in meinem Fischerdorf “Amed” noch sehr authentisch und relativ unverbraucht durch den Tourismus und den Konsum der westlichen Welt.
Doch der wichtigste Aspekt war natürlich das Tauchen. Bali liegt in mitten eines der Gebiete mit der höchsten Biodiversität(biologischen Vielfalt) im Meer überhaupt. Ein anderer Grund ist das nahezu alle Tauchplätze hier “Shore-Dives” sind und somit vom Strand aus erreichbar, ohne Boot. Es sind nur einige Schritte ins Meer und schon ist man in einer anderen Welt voller Schönheit und Faszination.“
Seine „NoFearDiving-Kurse“ wären auch etwas für mich, da speziell auf Menschen mit Ängsten vor dem Taucher zugeschnitten, aber ich verstecke mich halbwegs einsichtig hinter „Alter und Gebrechen“.
Das Dorfleben erweist sich nach den ersten Eindrücken als sehr authentisch. Die Menschen leben noch sehr entspannt im großen Familienverband, eng mit den vielen Tieren und viel Zeit.
Neben dem Fischen mit den bunten „Jukungs“ - Auslegerboote mit Segeln - wird in den Dörfern entlang der Küste immer noch auf traditionelle Weise Meersalz gewonnen.
Mit dem Schweizer Ronaldo und dem Hamburger Mario - beides langjährige Asienkenner, wobei Mario schon seit 5 Jahren auf den Phillippinen lebt, - bin ich am ersten Nachmittag auf dem Sozius die Küste entlang zu einer Schnorchelbucht bei Lipah gefahren worden.
Es wechseln sich, nur von hohen Felsklippen unterbrochen, weiße und schwarze Sanstrände mit Steinstränden ab.
Richtung Osten liegen einige luxuriösen Hotels am Hang, die mit ihren blühenden grünen Gärten einen absurden Kontrast zu der spärlichen Vegetation der Umgebung bilden.
Die Aussichten, die sich bieten, sind atemberaubend. Steil abfallende Felswände und darunter das tiefblaue Meer, im Hintergrund der von Wolken verhangene Vulkan.
Sehr gemächlich vergeht am „Warung Indah“ dort am Strand.
Von einem Fischer wird ein großer Mahi-Mahi (wohl eine Makrelenart) gekauft, 2 Kilo für 50000 IDR = 3,50 Euro !
Nach dem Sonnenuntergang, den wir auf einem nahen Sunset-Point erleben wollten
(die Wolken am Gunung Agung uns aber einen Strich durch die Rechnung machten), verspeisten wir genüsslich den Fisch mit balinesischer Soße (viel Knoblauch, Öl und wenig scharfe Chillies), pommes und Gemüse, zubereitet von den Leuten des Warung.
Der Abend mit den lizensierten Trinkern endete mit viel Bier.
Am Morgen beim späten Frühstück ein Gespräch mit Oliver. Auf die Frage, was für ihn in Bali so anders ist im Leben:
„Die balinesische Kultur war anfangs nicht einfach zu verstehen, doch das Prinzip der Gesellschaft beruht, anders als bei uns in Deutschland, auf Zwischenmenschlichkeit. Es ist wichtig, sozial eingebunden zu sein und anderen Manchen in Not zu helfen.
Sich den Respekt und die Anerkennung der Balinesen zu verdienen ist essentiell. Dorfrecht geht hier über Landesrecht – das heißt, dass die Gesetze hier nicht für alle gleich sind wie im Gegensatz bei uns Deutschland. In meinem Dorf sind Dinge OK… die in einem anderen Dorf nicht Ok sind. Die Stämme haben ihre eigenen Gesetze, die es zu kennen und zu respektieren gilt.
Ich habe den Eindruck, dass sich hier in Bali die Menschen um sich selbst kümmern, wo hingegen in Deutschland meist der Staat diese Aufgabe übernimmt.“
Ein Abend mit Ronaldo und Mario bedeutet mindestens 4-5 Bier, was bedeutet, man kommt weit nach Mitternach zu Bett, was bedeutet, der Kopf und sonstiges ist am nächsten Morgen noch etwas mitgenommen (klingt satanisch).
Und es stand eine Tour auf dem Programm: Rund um den Gunung Seraya.
Von Amed aus geht es auf der verdammt engen und kurvigen Küstenstraße durch viele
ärmlich aussehende Fischerdörfer am Hang. Dort halten sie in der kargen und steinigen Landschaft Kühe und Ziegen und betreiben mühsam etwas Landwirtschaft.
Mit der Zeit werden die Dörfer noch kümmerlicher und die Straße richtig abenteuerlich, unverschämt steil bergauf und wieder bergab. Im Januar, dem Monat mit den meisten Niederschlägen hier, ist die Route häufig überflutet, bricht ab oder ist von Erdrutschen blockiert.
Die Aussicht auf die Buchten mit den bunten Fischerbooten
und der Blick auf die trockenen und steinigen Hänge des Gunung Seraya lohnt schon die Fahrt, aber nach dem kleinen Dorf Seraya wachsen große Bambuswälder, die Landschaft wird abwechslungsreicher und fruchtbar.
Der erste Halt war der Wasserpalast von Ujung, den sich der letzte König von Karangasem zu seiner Krönung 1919 genehmigte. Durch den Ausbruch des Gunung Agung im Jahre 1963 wurde diese Wandelanlage größtenteils zerstört, seit 2001 aber mit Geldern der Weltbank wieder aufgebaut.
Der kleine Palast inmitten des Hauptteiches war als Rückzugsort der königlichen Familie eine ganze Nummer zu klein für europäische Fürstenhäuser.
Über die große Touristenenklave Candi Dasa kamen wir ins nahe gelegene Dorf Tenganan der „Bali Aga“ (Original-Balinesen). Sie zählen zu den konservativsten Ureinwohnern, die sich seit jeher stark isolieren und seit Jahrhunderten ihren Traditionen treu geblieben sind und besitzen heute zwar Strom, aber keine Fernseher und kein Internet. Anscheinend.
Am Dorfeingang nahm mich der 38jährige Gede, ein „adliger“ Stammesführer des Dorfes in Empfang und erklärte auf englisch die Geschichte und Besonderheiten seines Dorfes.
Auf meine erste Frage, weshalb sie denn kein Internet besäßen, antwortete er mit „Wozu? Zu welchem Zweck?“. Eine durchaus berechtigte Frage.
Das Dorf wird einerseits patriarchalisch vom Dorfadligen, andererseits aber auch streng sozialistisch verwaltet. Es gibt keinen Privatbesitz und jeder Einwohner ist Mitglied von einem der 4 Clans, die sich in allen Fragen ( in Not, beim Hausbau usw.) gegenseitig unterstützen und im Bale Banjar jedes Problem diskutieren und jeden Streit schlichten.
Tenganan besteht aus 2 Parallelwegen, an deren Seiten sich eine Häuserzeile befindet, die die Siedlung wie eine kleine Festung abschottet. In den 3 Dorftempeln wird jeweils einmal im Kalenderjahr der Bali Aga dem Tempelgott bei einem Fest geopfert. Im Shivatempel in der Nähe der Quelle und dem Badeplatz eine Kuh, im Vishnutempel in der Dorfmitte neben dem Bale Banjar finden zeremoniell die Hahnenkämpfe statt und am Brahmatempel auf dem größten Platz des Dorfes die Zeremonie Usaba-Sembah. Auch hier wird dem obersten Gott Blut geopfert, denn bei einem Zweikampf schlagen die Männer mit zackigen Pandanus-Blättern aufeinander ein.
Das Dorf ist sauber, hat viel Grün und viele duftenden Sträucher und gilt bei den Balinesen als wohlhabend, denn es besitzt ausgedehnte Reisfelder, die aber von hinduistischen Balinesen bearbeitet werden. Daher bleibt den Bali Aga viel Zeit für ihre vielfältigen religiösen Zeremonien und ihr Kunsthandwerk, wie das Weben der
Ikat-Stoffe, dem Holzschnitzen von besonderen Masken und Figuren, dem kunstfertigen Flechten filigraner Schalen und Körbe und dem Lontar (Palmblattzeichnungen des Ramayana)-Schreiben.
Im Dorf fallen die vielen Hunde, die Ruhe und die Sauberkeit, aber auch die geringe Kinderschar auf. Diese niedrige Geburtenrate des Dorfes ist ein Problem der Zukunft und ausgelöst von dem strikten Tabusystem der Bali Aga, das u.a. eine Heirat außerhalb des Dorfes verbietet.
Zum Abschluss lädt mich Gede in sein hübsch gestaltetes Haus ein, in dem er mit seiner Frau und drei Kindern wohnt. Ein mit viel Aufwand und Liebe gestalteter Innenhof, von dem aus man in die verschiedensten Räume und Schattenplätze gelangt.
Ein hochinteressanter Dorfbesuch!
Über die Königstadt Amlapura (sie hieß unlängst noch Karangasem, wurde aber nach dem Vulkanausbruch von 1963 umgetauft, um die bösen Geister zu vertreiben) mit ihren Palästen gelangen wir am Fuße des Gunung Agung, der wie meist in den Wolken steht, zum Wasserpalast „Tirta Gangga“,
was soviel wie „Heiliges Wasser des Ganges“ bedeutet. Die Anlage hat mehrere Wasserbecken, teilweise zum Baden
(das Wasser soll den Schwimmer bei ewiger Jugend halten, was mir ein zu hoher Versprecher scheint), teilweise als Lotusteiche mit vielen Fischen und Brunnen und Fabelwesen aus Stein, von duftenden Blütenbäumen und-sträuchen umrahmt.
Nördlich von Tirtagangga windet sich die Straße über eine kleine Passhöhe. Die Ausbrüche des Gunung Agung haben die Umgebung hier mit überreicher Fruchtbarkeit gesegnet.
Die saftigen Reisterrassen, die sich die Hänge hinaufziehen, die Gemüsefelder und Obstplantagen, lassen diese Gegend als einen kleinen Garten Eden erscheinen.
04.12.2014 - Amed
Das ist der Beginn der Regenzeit, auch im trockenen Osten von Bali.
Heute Morgen haben sich schon beim Frühstück dunkle Wolken zusammengebraut und nach kurzer Zeit begann der Regen, kurz und heftig. Nach 1 h hat er aufgehört, im Unterschied zu sonst, ist der Himmel nach dem Gewitter immer noch grau-weiß bedeckt. Keine Anzeichen, dass die Sonne durchbricht, bisher.
Also liege ich auf der Terrasse im Liegesack und lese. Paul Austers „Bericht aus dem Innern“.
Aber schon nach 15 Seiten und einem „Nasi Campur“ ist der Himmel gewohnt blau.
Wir fahren jeden Tag mit den Motos - wobei eines unter Ronaldo und vor allem mir gewaltige Ächzer von sich gibt - an eine andere Bucht zum Schwimmen und Schnorcheln.
Die Abende mit Oliver, Mario und Ronaldo sind ein Genuss. Die drei Weltenbummler mit ihrem unerschöpflichen Reservoir an abartigen und extravaganten Geschichten können stundenlang schwadronieren.
Vor allem Oliver als deutsch-serbischer Punk in Köln mit seiner im Stile von Fatih Akins „kurz und schmerzlos“ erlebten Jugend kann Erfahrungen zum besten geben, die einen sehr neugierigen und abenteuerlustigen Charakter offenbaren. Als Tauchlehrer hat er sich aus Deutschland verabschiedet und viele der schönsten Strände der Welt gesehen und ist dabei einer Palette schräger Typen begegnet auf dieser Odysee. Man könnte sagen, er hatte dadurch längst die Ahnungslosigkeit gegenüber dem eigenen Leben verloren. Hier in Amed bastelt er nun an seinem Glück.
Ronaldo, der 53jährige Landschaftsgärtner und das Multitalent, hat sich vor mehr als 15 Jahren entschlossen, der aufgeräumten Schweiz den Rücken zu kehren, odr. Da ihm die Geldmittel fehlten, kommt er im April/Mai jeden Jahres zurück, arbeitet bis Oktober, odr, um dann wieder nach Asien abzuhauen.
Mario, der Hamburger Jung, Mojn mojn, - inzwischen ebenfalls 53 Jahre - hat bis etwa Mitte 30 mit einem Computer-Großhandel in Rom und in Amerika viel Geld gescheffelt. Ist dann aber zu der Einsicht gelangt, dass dieses Leben ihn nicht glücklich machen wird und mit einem radikalen Bruch hat er allen Besitz verscherbelt und Deutschland verlassen. Er sagt, die Routine und Gier hätte ihn leergesaugt. Und es ist schon so, es gibt keine Routine und keine Wiederholung, die nicht gleichzeitig auch die Ursprünglichkeit des Lebens verbraucht. Inzwischen reist er mit einem Bankkonto im Hintergrund, einem Koffer und einem phillippinischen "Bonsai" durch Asien.
Diese gesammelte Power an seltsamen Stories ergibt - wie man sich vorstellen kann - bierselige Abende, die voll sind von Lebensfreude und Schrägheit. Mir steht zumindest manchmal der Mund offen!
Ich sehe unsere Gespräche wie eine Lehrstunde von jenen, die von Geheimnissen und Heimlichkeiten, von Tiefen und Untiefen der menschlichen Seele zu berichten wissen.
Nun ist noch Andre, ein Pastor einer Freikirche in Ostfriesland, hinzugekommen. Die Gespräche über Glauben an Gott, Religion und Atheismus waren analytisch aber sanft und ungeheuer skurril. Und wieder mal die Einsicht:
Es gibt 3 Wahrheiten auf der Welt, deine, meine und die Wahrheit.
Mein letzter Tag in Amed.
Die Sonne sticht wieder vom wolkenlosen Himmel, mir rinnt wie gewohnt der Schweiß in Strömen. Der Gunung Agung ist tatsächlich ohne Wolken zu sehen, in seiner ganzen Pracht. Und man versteht, warum er Sitz der Götter sein soll.
Am Strand spielen heute viele Kinder zwischen den Booten und im Wasser.
Ohne stylisches Spielzeug vergnügt sich die Gruppe den ganzen Nachmittag. Eine wahre Freude, sie ein Weilchen zu beobachten. Am Nachmittag kommen viele Einheimische in traditioneller Kleidung an den Strand und huldigen an einem kleinen Schrein einem Gott.
Von dem Waiter im Warung erfahre ich, dass es im Dorf eine dreitägige Zeremonie gibt und am nächsten Tag eine Prozession von einem Vishnutempel am Hang herunter zum Strand stattfinden soll. Hätte ich mir gerne angeschaut, aber für morgen habe ich schon ein Ticket für das Schnellboot nach Gili Air erstanden, eine klitzekleine Insel vor der Küste von Lombok.
Die Stelle, an der ich jetzt schon eine Weile sitze, war mit kleinen Löchern im Sand übersät. Jetzt lugten aus manchem Loch kleine Krabben vorsichtig heraus und nach etwas Bedenkzeit haben sich die Wagemutigen unter ihnen ganz heraus getraut. Angelockt durch das Häufchen Erdnusskerne und Schalen, die ich auf den Boden geworfen hatte.
Ein Schwarm Spatzen macht sich über Essbares in den Opferschalen her und ein besonders forscher wagt sich gar in den Schrein, wo er in großer Eile auf die Nüsse einpickt.
Wenn man ins Entlegene, Fremde reist, erfasst uns manchmal eine eigene Spannung. Wir schauen und beobachten. Reden kaum. Wir sehen in einer Weise, die das Darüberreden verstummen lässt, mit dem wir uns gewöhnlich behelfen. Reine Gegenwart.
Äußerste Wachsamkeit gilt nicht einer lauernden Gefahr, einem Hinterhalt, sie gilt dem, was in diesem Augenblick geschieht. Der Moment ist ein scheues Wild.
05.12.2014 - Gili Air
Nach der Fahrt mit dem Schnellboot auf ruhiger See ( das Boot war mit internationaler Besetzung bis auf den letzten der 50 Plätze besetzt) bin jetzt auf der sehr chilligen Insel „Gili Air“ gestrandet.
Eine flache Insel vor der Küste von Lombok mit unter 1000 Einwohnern, auf der man sich nur zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem „Cidomo“, einer Pferdekutsche fortbewegt. Tolle Sache!
Die Insel ist flach, hat einen mit vielen Kokosnusspalmen durchsetzten Baumbestand mit schattigen Pfaden und festen Sandwegen am Strand entlang. Nicht sehr dicht stehen am Beach einfache mit Stroh gedeckte Hütten im sogenannten „Lumbung-Stil“ und Bungalows und viele Hängematten und Liegen im Schatten der Mango- und Mandelbäume. Alles wirkt sehr gemütlich und entspannt.
Etwa in der Mitte der Insel steht eine Moschee, denn fast alle Einwohner sind orthodoxe Muslime. Leider ganz in der Nähe meines Bungalows. Mal sehen, wie laut zum ersten Gebet gerufen wird.
„Aza zi-Bungalows“ liegt in einem kleinen Palmenhain, etwa 50 Schritte vom Strand entfernt an der Westseite der Insel, hat 5 saubere Steinhäuser mit AC, Safe, WLAN, „Mandi“ (eine open-air Dusche) und Leihfahrrädern und wird von einer freundlichen Familie betrieben.
Noch bevor ich mir ein Fahrrad geschnappt habe, fängt es an zu regnen. Ein lettisches Pärchen aus dem nächsten Bungalow raubt mir mit seinen düsteren Wetterprognosen den letzten Optimismus. Es soll bis auf gestern jeden Nachmittag üppig geregnet haben und in den nächsten Tagen ebenso.
Aber, nachdem der Muezzin zum Nachmittagsgebet gerufen hatte, ließ der Regen langsam nach, hörte schließlich ganz auf und war wieder Mal ein Zeichen für die Allmacht Allahs.
Der Himmel war zwar noch grau, aber man konnte nun wenigstens zu Fuß die nähere Umgebung erforschen und an einem netten Plätzchen am Meer den leise aufkommenden Hunger stillen.
06.12.2014 - Gili Air
Nach der Dämmerung gestern, gerade als der Muezzin zum Abendgebet bat, fiel der Strom aus, wohl auf der ganzen Insel. Allah muss wohl an diesem Tag Missfallen am Leben der nichtmuslimischen Touristen gehabt haben. Ist schon auch impertinent, wie sich junge westliche Mädels hier auf Moslemland verkleiden. Mit recht wenig Textil lümmeln sie am Strand und in Bars herum. Vom Tanga über den Bikini oder zum Einsicht gewährenden großen Ausschnitt bis zum Kopftuch, dem Shador und der Burka gehen die Provokationen der Kulturen gegeneinander.
Ich dagegen fühlte mich total unschuldig.
Wenn der Strom ausfällt ist es stockdunkel, der AC fächelt keine kühle Luft mehr zu, das Internet zieht sich beleidigt zurück und die Ladegeräte spielen nicht mehr mit. Die Zivilisation versagt! Das nackte Grauen!
Einzig meine Stirnlampe war eine kleine Hilfe. Als ich aber lesen wollte, fand ich mein E-Book nicht mehr. Ich hatte es beim Wasserkauf an einem Stand vergessen. Also machte ich mich trotz Finsternis auf den Weg. Welche Überraschung dann draußen!
Der Himmer war klar, die Sterne funkelten um die Wette und der Vollmond strahlte sein Licht auf höchster Stufe auf die Erde herab. Allah muss ein Einsehen gehabt haben - vielleicht nur mit den Einheimischen.
Auf der Theke des kleinen Lädchens sah ich mein E-Book schon beim Näherkommen. Ich beschloss in der angeschlossenen Strandbar eine Kleinigkeit zu essen und ein Bier zu trinken. Aus Dankbarkeit. Hätten das E-Book ja auch verkaufen können.
Das Bamboolokal war durch einige wenige Kerzen erleuchtet und es blies eine angenehme Brise. Viele Leute hockten im Dunkeln. Enganeinandergeschmiegt die Pärchen. Irgendwo spielte einer auf der Gitarre traurige Lieder. Vom Weg her wurde der helle Klang kleiner Glöckchen herübergeweht, wenn wieder eine Pferdekutsche durch das Dunkel huschte. Einige Jungs hatten am Strand ein Feuer entfacht. Die Flammen loderten bei Böen auf und erhellten die nähere Küste. Ein Katzensprung vom Ufer entfernt sah man die Lichterkette von Lombok und die dortigen Hügel zeichneten sich wie Schatten ab.
Während des Essens setzte sich Leo („wie Leonardo Da Vinci“) an meinen Tisch. Von Sumatra kommend sei er gerade hier, weil er auf Lombok eine Familie kenne, die einen „Kris“, einen traditionellen Kampfdolch mit magischen Kräften verkaufen wollten, der Preis aber noch zu hoch sei.
Er hatte einige deutsche Brocken gelernt, die er zum Besten gab, wir unterhielten uns immer besser über die Entdeckungsfahrten von Marco Polo, Christoph Kolumbus und Magelhan und die diversen Kolonisatoren. Er hatte zumindest etwas Ahnung darin und war witzig und sprunghaft in seiner Art, lachte viel - auch über sich. Später erzählte er von magischen Ringen, Messern und geschnitzten Pfählen, die er sammelte. Er zeigte mir auf dem Smartphone Bilder seiner Zauberdinge und ich wartete jeden Augenblick auf den Frontalangriff auf meinen Geldbeutel. Fehlanzeige.
Ich war schon so weit, ihm ein Bier zu spendieren, da lehnte er ab und kurze Zeit später stand er auf und verabschiedete sich mit einem „See you“. Ich war perplex und hatte noch auf dem Nachhauseweg auf den Trick gewartet, der aber nirgends zu erkennen war. So versaut ist man schon durch viele Aufdringliche.
Irgendwann in der Nacht - ich hatte schon eine Weile geschlafen - ging Licht und Klimaanlage wieder an.
Am Morgen radelte ich nach einem kleinen Frühstück um die Insel, was manchmal Tortur war, denn der feste Sandweg ging schon nach wenigen Metern in einen weichen Sandweg über. Kein Durchkommenn mit dem Rad. Irgendwann war der weiße Muschelsandstrand aber so fest, dass ich Teilstücke dort wieder fahren konnte. Vorbei an idyllischen „Hang-out“-Bars, „Magic Mushrooms“-Schildern und chilligen Sunsetpoints, stieß ich im Nordwesten wieder auf etwas besseren Weg.
Nur wenige hundert Meter gegenüber lag die Insel „Gili Meno“, auf der noch weniger los sein soll und es am Ufer gleich tiefer ist. Denn hier vom Südwesten bis Nordwesten war etwa 300-400 Meter vor der Küste ein Riff und eine Sandbank. Schwimmen war im türkisblauen seichten Wasser nicht möglich, nur im Wasser liegen und sich etwas erfrischen kann man.
An der Ostküste drängen sich Bungalowanlagen, Bars und Divepoints etwas enger. Aber immer noch sind schöne Plätzchen zu finden.
Am Pier ist morgens der Teufel los, weil hunderte von Touristen mit den Booten die Insel nach Lombok oder Bali verlassen oder hier gerade ankommen.
Jetzt haben die Pferdekutschen Hochbetrieb.
Viele der Einheimischen sprechen mich ganz cool aber irrtümlich mit „brother“ an. Frauen tragen Kopftücher und murmeln unter dem Tuch „Salam aleikum“. Sie sind gewiss nicht unfreundlich, aber die kulturelle Distanz oderTrennung ist meist spürbar.
Im Gegensatz zu meiner letzten Station Amed ist hier auch alles deutlich teurer. Bier sowieso, was ja nicht verwunderlich ist.
Am Nachmittag gab mein Handy den Geist auf. Die Anzeige lief blau an. Es ging nichts mehr. Keine Anrufe mehr, keine Uhrzeit mehr, keinen Wecker mehr.
Dann kam der große Regen. Ich konnte zuvor gerade noch in den Bungalow flüchten.
Wieder war der Auslöser der Ruf des Muezzin zum Nachmittagsgebet. Kurz darauf ging ein Tropengewitter allererster Güte auf die Insel herab. Der Himmel hatte sich überfallartig verdunkelt und es goss nun, blitzte und donnerte, als wäre es das letzte Mal. Der Weg vor meinem Bungalow war in kürzester Zeit überschwemmt, ebenso das eingefasste Erdreich. Mit der Zeit stieg der Wasserspiegel vor dem Bungalow bis an die erste Stufe heran, schon etwa 10 cm hoch. Es blieb noch eine Stufe, etwa 15 cm. Dann würde der Bungalow volllaufen.
Und kein Ende in Sicht. Mehr als zwei Stunden schüttete es schon gewaltig. Aza, der Betreiber der Bungalows, kam und öffnete Löcher in den Steinbegrenzungen, so dass das angestiegene Wasser wenigstens etwas in die Gartenbeete abfließen konnte. Half aber nicht viel. Der Wasserspiegel stieg immer noch weiter.
Demnächst fegt ja wohl der Taifun „Hagupit“ mit ungeheurer Windgeschwindigkeit (T-Online-Nachrichten) über die armen Phillippinen. Er soll große Wassermassen mitbringen.
Das hier ist nur eine kleine Vorahnung dessen. Die armen leidgeprüften Menschen!
Irgendwann setzte auch noch die Dämmerung ein. Jetzt war alles absolut dunkel draußen.
Das Nervige an der Sache war auch, dass der Regen mal etwas schwächer wurde und man schon Hoffnung auf das Ende schöpfte. Aber Augenblicke danach schüttete es umso heftiger.
Mir fiel ein, dass ich am Nachmittag neben vielen Bungalows am Meer Berge von alten Sandsäcken liegen sah. Dachte mir aber nicht viel dabei. So ein paar wären jetzt gar nicht so schlecht vor meiner Tür.
Jetzt, gegen 20.00 Uhr wird der Regen deutlich schwächer, hört aber nicht auf. Der Wasserspiegel ist nicht über die erste Treppenstufe gestiegen und sinkt jetzt rapide. Aber alle Wege sind überschwemmt. Den Bungalow trotz des Regens für ein Abendessen zu verlassen, daran ist nicht zu denken.
Ich richte mich aufs Fasten ein. Auch nicht schlecht.
08.12.2014 - Gili Air
Gestern war Sintflut auf der Insel und heute will niemand etwas davon wissen.
Himmel und Erde, Götter- und Dämonenwelt treiben ein verlogenes Spiel. Der Himmel hat am Morgen sein unschuldigstes Blau aufgetragen, hier und da noch einige weiße Fleckchen aufgepudert und die Erde, gestern fast kläglich ersoffen, tut so staubtrocken, als würde sie schon ewig nach Wasser dürsten. Die peinlichen Pfützen irgendwo in den Winkeln würde sie am liebsten wegzaubern oder selbst zuschütten.
Während ich dies schreibe, beginnt der Muezzin seine durchaus melodiösen Rufe zum Nachmittagsgebet, die vom Wind weit über das Dorf getragen werden (ich habe heute bemerkt, dass die Moschee doch weiter entfernt ist als ich dachte). Aber seine Stimme klingt so melancholisch, dass ich vermute, er bittet beim Singen inständig um Besuche.
Jetzt möchte ich mal bei Bernd dringend einige Unklarheiten beseitigen. Also:
„Bintang“: Die einzige staatliche Bierbrauerei von Indonesien, nehme ich an, zumindest hier und auf Bail. „Satu Bintang besar, tolonglah“ heißt dabei „Ein Bintang groß, bitte“ und meint 0,66 l. Schmeckt ausgesprochen gut im eisgekühlten Glas.
„Babi Guling“: ist die balinesische Variante des Spanferkels und wird in speziellen Lokalen, meist am Mittag angeboten. Damt die Kruste schön knusprig ist, wird das Schwein immer wieder mit einer Mischung aus Kokosnussöl und Kurkuma übergossen. So erhält es auch seine typisch orangeschimmernde Farbe. Dazu gibt es scharfe Gemüsebeilagen und ,na, Reis, genau. Wenn das Schwein aufgegessen ist, wird das „Warung“ geschlossen.
„Warung“: kann ein einfacher Essensstand überdacht an der Straße sein mit einfachem und billigem Essen oder auch ein einfaches Restaurant.
„Nasi Campur“: das ist das indonesische Allerweltsgericht. „Nasi“ bedeutet Reis. Zu ihm bekommt man verschiedene Gemüse mit Soße, geröstete Erdnüsse, Tempe (Fleischersatz aus Sojakeimlingen - schmeckt besser als Tofu), Kokosraspeln, Krupuk, Huhn oder auch Schweinefleisch oder Fisch und ein Omelett in Streifen.
„Nasi Goreng“: Das bekannteste Gericht. Gebratener Reis, bei dem weißer Reis mit Gemüse und Fleisch oder Krabben gemischt wird. Manchmal ist oben drauf noch ein Spiegelei. Dann heißt das „Nasi Goreng Spesial“.
„Mie Goreng“: ist das gleiche mit Nudeln.
„Bebek Betutu“: Muss man vorbestellen, ist aber echt lecker. Ein Teil knusprige Ente wird in einer scharfen Gewürzmischung mariniert und in Bananenblatt gewickelt über einer Glut aus Kokosnussschalen gegart. Die Bananenblätter halten das Fleisch zart und saftig. „Enak!“: Lecker!
„Soto Ayam“: ist eine klare Hühnersuppe meist mit Nudeln und etwas Gemüse.
„Gado Gado“: ist ein leckerer kalter Salat aus gekochtem Gemüse, Kartoffeln, Klebreis, Sojasprossen, der mit Erdnusssoße angemacht ist. Dazu noch Krupuk (Krabbenmehlkräcker).
„Sate Ayam“: in Zucker und Gewürze eingelegte Hühnerspieße, auf Holzkohle gegrillt. Wird mit würziger Erdnusssoße gegessen. Gibt es meistens an Marktständen.
„Pepes Ikan“: das Filet eines Weißfisches mit festem Fleisch und ohne Gräten wird mit einer leckeren Gewürzsoße und Gemüse zusammen im Bananenblatt gegart.
Viel Gegrilltes, Fleisch und natürlich Fisch und Seafood.
Und die Indonesische Reistafel mit einer Menge kleiner Curries und Beilagen zum Reis.
Und dazu ein großes Bintang, bitte. Na, wie heißts?
Fährst du in Gili Air um die Insel herum, siehst du fast nur einfache Bambusresorts.
Meist an sehr lauschigen Stellen gebaut, wo man zwangsläufig ein Robinson-Feeling im muschelhaltigen weißen Sand bekommt,
vor allem im Nordwesten bis Nordosten der Insel, wo man hinter der Insel „Gili Meno“ den Götterberg „Gunung Agung“ ahnen kann.
Luxusanlagen findest du dort kaum und das macht auch die Attraktivität der Insel für viele aus.
Im Osten ist dann die Bebauung dichter und hier steht auch die eine oder andere
etwas teurere Unterkunft mit Swimmingpool. An diesen Stränden finden sich die großen Korallenbänke der Insel zum Schnorcheln, wobei dir riesige Fischschwärme und Schildkröten unter der Wasseroberfläche begegnen können.
Weil schwimmen eben nur schwer möglich ist, - gerade mal abkühlen beim Bad im warmen und seichten Wasser - hängt man in Bambuslounges oder auf Sitzkissen der Strandbars ab und vergnügt sich mit einem kalten Obstsaft.
Fährst du aber mitten durch die Insel, begegnet dir auf Schritt und Tritt das Elend.
Kaputte Hütten, in denen du niemanden mehr vermutest, noch immer bewohnt.
Zusammengeflickte Hütten stehen auf einem Feld voller Müll, in dem nackte Kinder spielen. Hier sind die Segnungen des Tourismus noch nicht angekommen.
Man sieht bei einer Inselrundtour auch viele viele Häuschen, die einen kleinen Laden betreiben mit allerhand, was der Tourist so benötigen könnte. Vom Toilettenpapier zur Wasserflasche. Aber niemand kommt vorbei und kauft, hast du den Eindruck. Denn willst du tatsächlich kaufen, schläft der Verkäufer garantiert in irgendeiner Ecke.
Der größte Teil der Inselbevölkerung sind die Sasak (die auf Lombok deutlich in der Mehrheit sind), aus dem Osten Javas gekommen, eigentlich lange Zeit hindu-buddhistisch orientiert, aber erst im 18. Jahrhundert zum moslemischen Glauben missioniert worden. So entstand eine Mischreligion, „Wetu Telu“, was wörtlich bedeutet „Ergebnis“ und „drei“. Gemeint sind die drei Wurzeln ihrer Religion: Ahnenkult, Hinduismus und Islam - und die magische Dreieinigkeit. Und weil sie nicht immer in die Moschee rannten und wegen ihrer eigenständigen Zeremonien und Ritualen, wurde die synkretistische Wetu Telu-Religion der Sasak bis in die Gegenwart (auch in den 60iger Jahren während einer antikommunistischen Hetzjagd) schon früh von der indonesischen Mehrheitsbevölkerung stigmatisiert und zeitweise als „Heiden“ auch verfolgt. Und es fanden auch Pogrome statt.
Die Menschen auf der Insel leben, wenn sie nicht am Tourismusgeschäft in irgendeiner Weise beteiligt sind, natürlich in erster Linie vom Fischfang, dann von der Verarbeitung der Kokospalmen, von etwas Viehzucht und Gemüseanbau, von Kunsthandwerk wie Holzschnitzen, Korbflechten etwa und vom Ausverkauf ihres Landes.
Heute hatte ich es auf den Untergang der Sonne abgesehen.
Dazu legte ich mich am Westufer gemütlich in eine ruhige Bambuslounge, im Ohr die sanfte Musik von Robert Plant & Allison Krauss, Blick auf den Horizont ausgerichtet. Die Sonne stand noch gelangweilt am Himmel und versprach keineswegs Sensationen. Eine gute Brise vom Meer griff mir ins Haar. Der Sound im ganzen Kopf und allein ein leichtes Schimmern auf der Wasseroberfläche verzauberte mich schon in diesem unspektakulären Augenblick.
Allmählich, vielleicht durch das rote Strahlen über dem Horizont verstärkt, geriet ich in eine Art tranceartigen Zustand und ich versank in einem Meer von Glück, der diese Gegenwart ganz ausfüllte. In meinem Kopf und dem ganzen Körper breitete sich deutlich Ruhe aus.
Manchesmal gibt es solche Momente, wo dein Ich den Körper zu verlassen scheint und du dich wie von außen betrachten kannst. Es gibt keine erkennbare Ursache dafür, nicht Müdigkeit noch Erschöpfung. Es ist ein Schwebezustand, ausgelöst wohl in diesem Fall durch den Zauber einer erwarteten Naturerscheinung vielleicht. Aber auch durch die Tatsache, allein dort zu liegen zu keinem anderen Zweck als den Himmel anzustarren.
Denn nur wenn ein Mensch allein ist, kann er seinen Gedanken freien Lauf lassen.
Das ist auch ein kleiner Vorteil in solchen Momenten, wenn man alleine reist und sich der Schönheit und Fülle des Moments völlig ausliefern darf. Auch nicht darüber sprechen muss. Sich hingeben kann. Ganz.
Die Sonne tat mir im Verlaufe den Gefallen, überaus langsam und glutrot im Meer zu versinken. Und zwar genau zu jenem Zeitpunkt, als Radiohead „everything in its right place“ spielte. Wow. Das Gefühl großer Harmonie war perfekt! Inszeniert?
Nach ihrem strahlenden Untergang tauchte sie zu allem Überfluss den Himmel in ein rauschhaftes und unwirkliches Rot.
Ein roter Augenblick!
Ich weiß, man kann solche Gefühle kaum nachvollziehen. Man muss es erlebt haben. Dennoch wollte ich es mal kurz aufgeschrieben haben.
13.12.2014 - Semarapura (Klungkung) + Sidemen
Der muslimische Charakter von Gili Air drückt sich in der Vermüllung der Insel aus. Konträr zu Fatih Akins „Der Müll im Garten Eden“.
Nicht an der Küste, dort wo die Touristen hausen. Da schwingt man jeden Morgen den Besen vor der eigenen Tür, kurz nach Sonnenaufgang. Sogar die Sandwege werden gekehrt und von Blüten, Blättern uns sonstigem befreit. Sehr genau und sorgsam. Ebenso der Strand.
Aber im Inselinneren ist der Müll sorgfältig über das ganze Gebiet verteilt. Hinzu kommen Berge von Bauschutt, Materialien aller Unart und Abfällen, braunen verfaulten Palmwedeln, Halden mit Kokosnussschalen usw.
An manchen Stellen ist die Erde tief abgesackt und es entstanden große Löcher, ideal den gesamten Hausmüll dort hineinzukippen. Und der ist nicht nur organisch.
Offensichtlich wird alles, was nicht mehr gebraucht wird, einfach in hohem Bogen irgendwohin geworfen. Und wenn man nicht weit genug werfen kann, dann landet es halt im eigenen Garten, der längst schon keiner mehr ist.
Wenn du gemütlich auf den Wegen durch die Insel gondelst, ist das wie auf einem Geruchs-Parcour. Alle paar Meter ein noch verwegenerer Teufelsgestank. Besonders am Hafen, wo in aller Frühe ein Fisch- und Gemüsemarkt stattfindet.
Die Worte klingen so schön aufgeräumt, keine Spur von Unordnung und Chaos im Wort. Man sieht förmlich die leckeren Fische stramm stehen und die Karotten, Bohnen, Kohlköpfe und sonstigen Gemüse wohlduftend und -geordnet sortiert in ihren geflochtenen Körben auf Kunden warten.
Aber hier herrschen afrikanische Verhältnisse! Wenn du weißt, was ich meine.
Am Hafen kommt am späten Morgen ein Müllcontainerschiff an, in das ein Teil der Müllhalden von Arbeitern verladen wird. Die bemitleidenswerten Kerle! Aber das meiste stinkt weiter vor sich hin und zum Himmel. Im Gegensatz zu den Menschen, die einen großen Bogen um die Abfallmeile machen, vergnügen sich dort große Rattenheere.
Früh am Morgen sieht das Ufer etwas trostlos aus, aber schon kurze Zeit später ist wieder alles beim alten.
Nicht dass die Menschen auf der Insel unfreundlich wären, im Gegenteil. Aber ganz sicher haben sie eine total andere Ästhetik wie die Balinesen. Die Energie, die Balinesen für die Verschönerung ihrer Gärten und Tempel, für die Herstellung der Opfergaben an all ihre Götter und Dämonen, für ihre Zeremonien verbrauchen, lassen die Sasak in der Hängematte oder auf dem bloßen gestampften Boden liegend irgendwie verkommen oder versickern, schauen lieber zu und reden darüber, wenn gerade jemand etwas instandsetzt oder wegräumt.
Übrigens, weil gerade wieder der Muezzin zu seinem Klagegesang ansetzt, gestern habe ich mich mal zu diesem Zeitpunkt vor die Moschee gesetzt und gewartet. Und, oh Erstaunen, es kamen nicht einmal 10 Leute zum Gebet. Und die waren überwiegend alt und gingen am Stock. Ist das nur Sasakmentalität?
Das Alleinreisen hat wie gesagt manchmal seine guten Seiten, aber auch immer einen intimen Feind: die Einsamkeit.
Zu Hause kann man solche Einsamkeit kompensieren, sie mildern, besänftigen. Man kann einfach belanglos miteinander reden oder Freunde anrufen, ins Kino rennen, vor die Glotze hocken, mit anderen in die Pizzeria gehen. Die Einsamkeit ist dann meistens nicht weg, aber sie nagt weniger stechend.
Bist du als Alleinreisender einsam, liegen die geliebten Menschen und Freunde längst im Bett. Auf der anderen Hälfte der Erdkugel. Kein Cinema weit und breit. Keine Ablenkung (Ich kenne schon ein Mittel. Wird hier häufig eingesetzt gegen die Einsamkeit, auch wenn der eigene Freund daneben sitzt oder ein ganzer Freundeskreis. Aber die blättern ja dann auch alle in ihrem Smartphone herum).
Meine Helfer in solcher Situation: Ein MP3-Player, mit der Musik, die mein Herz anfeuert, mein Laptop, der mir die Neuigkeiten der Welt auch nicht näher bringen wird, ein Buch mit Gedanken, um meine Unruhe zu beschwichtigen und ein Tagebuch, um die Einsamkeit mit Sätzen in den Griff zu bekommen.
Die Musik und das Buch haben dabei die größten Fähigkeiten. Sie können den Einsamen beruhigen und sie können ihn dazu bringen, sich selbst näher zu kommen. Manchmal funktionieren ein paar bedruckte Seiten auch wie eine Zauberpille: Man schluckt sie und wacht benommen wieder auf. Schön teuflisch, schön unberechenbar.
Aber in manchen Fällen verlieren diese vier Helfer ihre Zauberkraft. Leider!
Vom Himalaya-Königreich Bhutan kam vor Jahren die Nachricht, dass die Bewohner im Land dafür Sorge tragen sollten, das „Bruttinlandsglück“ zu vermehren. Weise Männer und Frauen hatten die Idee, dass Glück möglicherweise mit etwas anderem zu tun hat, als seine dicken Autos vor der Tür des Nachbars zu parken.
Die zauberhafteste Frage in einem ausgearbeiteten Fragebogen war wohl, so vermute ich mal:“Was sind für sie die 6 wichtigsten Dinge, um ein glückliches Leben zu führen?“
Ich kenne nicht die Antworten der Bhutaner. Aber als Reisender könnte ich sagen, die ersten vier habe ich schon abgehakt. Und die letzten zwei? Ach, wie simpel: ein Foto meiner Liebsten im Geldbeutel. Und sechstens? Das liegt doch auf der Hand: eine Tafel Milka-Schokolade, Vollmilch.
Wenn sie nur nicht dahinschmelzen würde in dieser Hitze!
Bei einem Mangoshake im Osten der Insel habe ich Ujah (?) aus Lombok kennengelernt. Als ich vorbeikam, spielte er gerade auf seiner Gitarre und sprang sofort auf. Also forderte ich ihn auf, doch bitte weiterzuspielen. Und das tat er dann auch eine ganze Weile. Neben einigen westlichen Songs mit indonesischem Text spielte er auch das „Lied von Gili Air“, wobei er mir zunächst den Text ins englische übersetzte. Und so ganz nebenbei erzählte er auch von seiner Herkunft, seinen Möglichkeiten und seinen Träumen.
Eine interessante Stelle bei Austers „Bericht aus dem Inneren“. Der 10jährige Paul entdeckt im Ferienlager bei einer Bettnässer-Erfahrung erstmals, „dass wohl die meisten Leute ihre Geheimnisse hatten, vielleicht alle Leute, ein ganzes Universum von Leuten, die...auf Erden wandelten, sie alle gezwungen, sich nichts anmerken zu lassen, der Welt ein Gesicht zu zeigen, das nicht ihr wahres Gesicht war. Was sagte das über die Welt? Dass jeder dort mehr oder weniger im Verborgenen lebte...“ und er folgert interessanterweise daraus. „Heute fragst du dich, ob dieses Gefühl des Nichtwissens nicht der Auslöser für deine Bücherleidenschaft gewesen sein könnte - weil die Geheimnisse der Figuren, die in den Romanen lebten, am Ende immer bekannt gemacht wurden.“
Aufgabe von Roman oder Spielfilm, die Geheimnisse des Menschseins zu enträtseln, um in die Seele der anderen schauen zu können? Um uns ein wenig einander näher zu bringen?
Fraglos ein Antrieb für mich, ins Kino zu gehen oder Romane zur Hand zu nehmen.
Die Tage auf Gili Air vergingen sehr rasant - mit viel Lungern, Gesprächen, kleinen Touren, im Wasser rumliegen, Bier trinken, nette Sachen essen, schlafen, Musik hören, lesen natürlich (Austers „Bericht aus dem Innern“) und kleine Katzen füttern und kraulen.
Wieviele Streicheleinheiten die nötig haben!
Umar ist der Waiter des einfachen Bambusrestaurants „Pangkor Bungalows“. Und weil dort außer mir selten jemand bedient werden musste, hat er viel Zeit, mit seinen beiden kleinen Kindern am Strand zu spielen oder in der Hängematte zu schlafen.
An zwei Abenden habe ich dort in einer Bambuslounge ganz entspannt den Sonnenuntergang genossen. Pünktlich zu dieser Zeit tauchen immer einige Sonnenanbeter auf. Nicht nur für mich jeweils ein magischer Moment. Auch für die anderen auf ihren Aussichtsplätzen, in der Lounge, dem Liegestuhl, hockend im Sand, alle hielten wir den Mund. Lange Zeit. Schauten nur. Und staunten verzückt. Man fühlt wohl instinktiv, dass Stummsein die einzige Möglichkeit ist, diesen Moment zu genießen. Denn nur der stille Körper ist in der Lage, die Magie dieser Erscheinung aufzusaugen. Solche magischen Momente sind auf Reisen deutlich besser zu erahnen als im Alltäglichen. Vielleicht weil alle Sinne auf Empfang gestellt sind und nicht fokussiert auf routinierte Beschäftigung.
Und wenn du ihn empfindest, verursacht er in deinem Inneren ein leichtes Zittern, ein Beben der Glückseligkeit. Und erst danach werden wir anderen davon erzählen wollen.
Aber mit welchen Worten!
Am letzten Abend ließ ich mir dann im Anschluss von Umar auf dem BBQ-Feuer einen großen Red Snapper mit Folienkartoffel grillen. Der Fisch kam mit viel Limetten, einer wunderbar ölig-würzigen Soße und einem leckeren Salat aus Gurke, Karotte, Blattsalat geschnitten, in Streifen geschnittene Mango und Ananas, süßlich-sauer angemacht. Und das für 50000 Rupiahs, etwas mehr als 3 Euro.
Heute dann der Abschied von der Insel.
Am Hafen traf ich den jungen Jaques, der auf der Herfahrt schon neben mir saß, und wir haben uns auch öfters auf der Insel getroffen.
Ein netter und aufgeschlossener Junge. Weil sein Moto in Amed steht, muss er dorthin zurück, während ich das Schnellboot nach Padangbai auf Bali nehme.
Als einer der ersten, die den Koffer nach der Landung am Pier im Hafen von Padangbai erhielten, war ich natürlich auch einer der ersten, der die Meute sämtlicher Verkäufer von Getränken, zugeschnittenen Mangos, Süßigkeiten, Hotels und Taxis am Hals hatte. Aus dem Bauch entschied ich mich für eine Fahrt nach Klungkung, die alte Königstadt, die auch Eingang zum Großen Vulkan ist.
So sitze ich jetzt auf dem Balkon des einzigen Hotels der Stadt, dem „Klungkung Tower Hotel“ und das einzige Zimmer, das ich bekommen kann, ist klein, muffig, nicht gerade sauber und nicht im Topzustand, was bedeutet, dass das Zimmer oder das ganze Hotel schon bessere Tage gesehen hat.
Der alte Mann an der Reception hat mir versprochen, morgen in ein besseres Zimmer wechseln zu können. Vielleicht fahre ich ja weiter nach Sidemen in die Hügel- und Reislandschaft.
Ein erster Spaziergang offenbart mir ein schlichteres Bali mit einfachen kleinen Geschäften, in denen zwischen Türmen und Stapeln undefinierbarer Gegenstände die Eigentümer wie verloren hocken und seit Jahren auf Käufer warten, so scheint es. Denn sowohl ihre Waren als auch die Verkäufer machen einen angestaubten Eindruck. Viele Hauswände schwarz vom Tropenschimmel und auch hier Müll und Zerstörtes.
Allein einige historische Gebäude und eine riesige Steinfigur auf der Hauptkreuzung strahlen noch etwas königlichen Glanz aus.
Der Niedergang des Majapahitreiches durch die Ausbreitung des Islam auf Java hatte die Flucht des hindu-javanischen Hofes samt Priestern und Künstlern nach Bali zur Folge. Kurze Zeit fanden sie eine neue Heimat am Hof von Gelgel, aber nach drei Generationen wurde der Hof nach Klungkung verlegt.
Hier befand sich dann das Oberste Gericht der Insel, der „Taman Gili“ mit der großen Gerichtshalle, der „Kerta Gosa“ und der Königspalast Semara Pura war das kulturelle Zentrum Balis.
Die Vormachtstellung der Rajas von Klungkung wurde erst durch die Holländer gebrochen, die 1908 den Königspalst zerstörten, was den rituellen Massenselbstmord vieler einheimischer Kämpfer zur Folge hatte. An diese massenhafte Selbsttötung, „Puputan“ genannt, erinnert heute noch ein Denkmal.
Klungkung, oder „Semarapura“, wie es seit einigen Jahren auf Sanskrit genannt wird, war eine klare Fehlentscheidung! Mein Bauchgefühl hat versagt.
Denn von der einstigen Größe ist kaum mehr etwas zu sehen. Genau genommen ist es ein großes Dorf mit großer, gähnender Langeweile. Zumindest für Ausländer, die man nirgendwo sieht. Bin wohl der einzige.
Obwohl es auf Bali nur eine kleine Minderheit Muslime gibt, hier sieht man viele Kopftücher, weiße Kaftane und Käppis und der Muezzin bittet wieder mehrfach zum Gebet. Gegen 20.00 Uhr, als es schon eine Weile dunkel ist, schläft die Stadt langsam ein. Dann hat nur noch die Moschee geöffnet.
Nirgendwo in der Stadt WiFi, kein Bier gesichtet und außer dem „Resto“ des Hotels nirgends ein Plätzchen, an dem man es sich gemütlich machen könnte. Abgeschirmt von der Welt und zu Hause, allein gelassen in der Fremde, fühle ich mich hier so richtig fehl am Platze.
Und da das Hotel auch kein wirklicher Zufluchtsort ist, geht es morgen früh hoffnungsvoll mit dem Bemo (eine Art Dolmus) die 12 km nach Sidemen.
Auch in ganz Sidemen, einem kleinen Dorf in den Hügeln unterhalb des „Gunung Agung“ (3142 m), gab es kein WiFi. Die Lage des Dorfes ist phantastisch inmitten eines malerischen Tales, umgeben von vielen Reisfeldern, die zum Teil saftig im Grün stehen.
Am Nachmittag fuhr ich zur Mutter aller Tempel auf Bali, dem „Pura Besakih“, am Fuße des heiligen Berges auf etwa 1000 m Höhe gelegen. Er soll schon mehr als 1000 Jahre alt sein und wurde immer wieder aufgebaut und erweitert, sodass der ganze Tempelkomplex etwa 200 Gebäude umfasst. Aber nur Hindus dürfen das Allerheiligste und damit den inneren Bereich betreten.
Vor dem Tempeleingang herrscht ein bis dahin noch nie so erlebter Touristenrummel mit aufdringlichen Schleppern der Essens- und Souvenirstände sowie vielen lästigen und selbsternannten Guides, die teilweise in ihrer Art und ihren Forderungen unverschämt wurden.
Mit einem von ihnen hatte ich eine „verbale“ Auseinandersetzung, weil er unbeeindruckt von dem auf den Tickets genannten 25000 Rupiah ein zusätzliches Eintrittsgeld von 150 000 (= 10 Euro) forderte. Wie mir erging es schon anderen, die umgekehrt waren und mir erbost entgegenkamen. Also blieb ich stur, ging weiter und ignorierte den Mann, der sich mir sodann breit in den Weg stellte. In Ermangelung eines für einige Argumente geeigneten indonesischen Wortschatzes und weil ich eh schon die Lust, den Tempel näher anzusehen, verloren hatte, machte ich auf dem Absatz kehrt und ließ den kleinen Mann stehen.
Mit diesem Erlebnis war meine Karriere als Tempelbesucher wahrscheinlich abrupt beendet worden. Hinzu kommt, dass es im Homestay wieder kein Bier gab und mir der Kontakt zur außerbalinesischen Welt doch so sehr fehlte, dass ich noch am Abend beschloss, am nächsten frühen Morgen das Weite zu suchen.
Jetzt bin ich wieder in Sanur, der letzten Station. Und habe WiFi, wie man merkt.
14.12.2014 - Sanur
Wieder in Sanur. Der Kreis der Rundreise ist geschlossen.
Statt im „Putri Homestay“ bin ich ganz in der Nähe für weniger Geld und mit angeschlossenem Restaurant im „Julia Homestay 2“ untergekommen. In den nächsten Tagen beginnt hier eine kleine Hochsaison. Das bombastische „Putri“ war deutlich teurer geworden und ich hätte ein Zimmer nur für drei Tage erhalten.
Heute Mittag hatte ich Besuch in meinem Zimmer. Zuerst dachte ich an einen großen Gecko, die Laute waren dann wie die eines kleinen Exemplars, aber eindeutig lauter und auch aggressiver. Es hatte sich hinter dem Vorhang an einem der Fenster versteckt und panische Angst. Ich irgendwie auch. Aber irgendwann habe ich den Teil eines flauschigen Schwanzes gesehen und auch, dass es eine lange Schnauze hatte. Ich holte mir von draußen fachmännische Verstärkung. Zwei Jungs jagten das - wie sich nun herausstellte - einem Eichhörnchen ähnliche Tier durch das Zimmer und fingen es tatsächlich mit einem Tuch. Es lebt anscheinend in der Kokospalme und heißt „Tupay“. Ich hatte vor Wochen eines gesehen, wie es das Obst in einem Schrein räuberte.
Dieses respektlose Tier ohne einen rechten Glauben.
Da lob ich mir den balinesischen Hinduismus.
Am kommenden Mittwoch beginnt der 10tägige Zyklus zwischen „Galungan“ und „Kuningan“, nach dem Neujahrsfest „Nyepi“ das größte Fest der Balinesen.
Das Fest soll den mythologischen Kampf der Götter gegen die Mächte des Bösen symbolisieren, wobei klar ist, dass die Götter nur ein bisschen siegen und die Harmonie und der Friede gewahrt bleibt. Während dieser Tage sind die vergöttlichten Ahnen in den Haustempeln wieder zu Besuch und werden von der gesamten Familie unterhalten. Ein Familienfest der besonderen Art. Ich bin gespannt.
Heute am Strand hat man große Gruppen von Frauen und Männern gesehen, auch hier im Homestay sitzen sie überall und sind eifrig dabei, aus Palm- und sonstigen Wedeln kunstfertig verschiedene Dinge zu flechten oder zu fertigen.
Die Festvorbereitungen an den Tagen vor Galungan folgen speziellen traditionellen Regeln bzw. einem bestimmten Zeitplan, und alle Familien der Dorfgemeinschaft oder des Banjars nehmen daran teil. Der Sonntag davor ist der Tag, an dem den Haustieren besondere Verehrung zuteil wird, bevor sie dann boshafterweise am Folgetag zu Opfertieren werden. Mengen von Hühnern und Schweinen müssen ihr Leben lassen. Ein Teil davon wird bereits am Nachmittag den bösen Geistern dargebracht, die gleichfalls bedacht werden müssen, um das Dorf oder das Viertel vor Unheil zu bewahren.
Oliver von Amed erzählte folgende Geschichte:
Einer seiner Köche, der aus einem Dorf aus Westbali stammt, bat ihn unterwürfig um 2 Monate Urlaub. In dieser Zeit findet in dessen Heimatdorf ein spezielles Fest statt, an dem jedes Mitglied traditionell teilnehmen muss. Für jeden Tag der Nichtteilnahme muss anscheinend 100 000 Rupiahs bezahlt werden. Da der Koch bei Oliver mit 1 500 000 Rupien im Monat bezahlt wird, wäre das Fehlen ein schlechtes Geschäft für ihn gewesen. Sein Koch erwähnte noch, dass einige seiner Freunde dadurch arbeitslos geworden seien. Oliver willigte ein, da Wayan ein netter Mitarbeiter und guter Koch ist, auf den er nicht verzichten wollte. In Bali geht eben jedes Dorfrecht über das Landesrecht.
Eine andere Geschichte, die den Volkscharakter zeigen kann:
Durch die Kolonialzeit und die nachfolgenden blutigen Unruhen auch auf Bali war das Land in den 60igern nach Meinung vieler spirituell in höchstem Maße verunreinigt. Um die Harmonie wieder herzustellen, beschloss die Regierung unter Sukarno ( der seine „gelenkte Demokratie“ mit dem Konzept NASAKOM - Nationalismus, Religion, Kommunismus - in Indonesien einführte) das Universum reinigende Tempelfest „Eka Dasa Rudra“, das nach dem balinesischen Kalender nur alle 100 Jahre am Muttertempel Besakih stattfindet (also im Jahr 1979), schon 1963 zu feiern. Und dies gegen den Rat einiger Brahmanen und Religionsführer.
Es sollte wohl als politisches Ablenkungsmanöver herhalten, denn in dieser Zeit wird auf Bali sechs Wochen gebetet und gefeiert. Eine Rattenplage ließ es für viele Balinesen ratsam erscheinen, das gestörte Gleichgewicht durch das Fest wieder herzustellen.
Schon im Februar 1963, als man mit den Vorbereitungen zum Fest begann, quollen Rauchwolken aus dem Krater des Gunung Agung, der schon hunderte von Jahren nicht aktiv war. Dennoch begann die Zeremonie termingerecht am 8. März - Sukarno war sicherheitshalber schon mal zu Hause geblieben - , am 12. März stieß der Vulkan Felsbrocken aus und am 17. März wälzten sich glühende Lavaströme hinunter in Richtung auf den Muttertempel. Viele Menschen fanden den Tod, Dörfer wurden vernichtet, der Pura Besakih blieb unversehrt. Jedem Balinesen war klar, dass Sukarno kein Liebling der Götter war.
Zwei Jahre später gab es einen Putsch von General Suharto (Könnte da die CIA mit im Spiel gewesen sein?) und eine Zeit der fürchterlichen Kommunistenverfolgung begann 1967 auf Bali, der mehrere Hunderttausend Menschen zum Opfer fielen.
So weit der kleine Blick in die Seele balinesischer Ordnungskräfte.
Das Fest wurde übrigens im März 1979 wiederholt und verlief harmonisch.
Nochmals zu dem Zimmergenossen von gestern. Tupays sind üblicherweise nicht in Gästezimmern zu finden. Im Gegensatz zu den Geckos, wie ich auch gestern zuerst vermutet hatte.
Sie sind in Bali gerngesehene Gäste, da sie ein Haus von Insekten freihalten. Man muss aber unterscheiden: Am häufigsten treten die sehr kleinen und blässlich grauen „Cik-cak“ Geckos auf, die an Wänden und Decken der Zimmer hängen. Sie sind sehr flink und geben immer wieder eigenartige und schrille Schnalzlaute von sich.
Bemerkenswert aber ist der „Tokee-Gecko“, ein bis zu 35 cm großes, graues, orangerot getüpfeltes Tier mit großen Glubschaugen. Er macht so seltsame Geräusche wie ein anspringendes Auto. Danach kommt mehrmals hintereinander ein Laut, der sich wie „To-keh“ anhört. Ist die Zahl der Rufe ungerade, bedeutet dies für den Hörer Glück. Es lohnt sich also mitzuzählen. Bei 9 oder gar 11 Tokee-Lauten winkt besonders viel Glück. Für Balinesen wird der Gecko nich nur als Glücksbringer, sondern sogar als Hausgott angesehen, der die Bewohner vor bösen Einflüssen beschützt. Und so werden manchmal für die Tiere auch Opfergaben bereitgestellt.
17.12.2014 - Sanur
Wow!
Nach den 5 Wochen hab ich mir heute ein Westrestaurant geleistet. Ristorante italiano „Massimo“ im Süden von Sanur.
Beim ersten Bissen von den „Penne gratinate“ schwebte ich in Italien, mittendrin irgendwo über Umbrien. Tipico italiano! Diese Soße! Und der Käse! Delicioso!
Beim letzten Bissen war ich noch seelig und schwelgte so sehr den Penne hinterher, dass ich mir noch eine Pannacotta mit Mangomus leistete. Das Essen war der Knaller vom Geschmack und vom Preis erträglich. 8 Euro für Pasta, Dessert und großes Bintang (der Wein ist gnadenlos teuer). Geht doch. Ich glaube, da werde ich nochmals speisen. Aber mehr noch als die Küche hat mich der Service erstaunt. Alles junge Balinesen. Wie aufgezogen rennen sie hin und her, sehen alles, bringen alles auf den Punkt. Das habe ich hier noch nie gesehen. Das Ristorante war auch ständig voll besetzt, die Leute warteten an der Bar auf freie Plätze.
In einem normalen balinesischen Restaurant lungern fünf Bedienungen in irgendwelchen Ecken herum, weil in den letzten Wochen eh nie ein Gast kam. Und wenn du dann kommst, ist das Gespräch, das du ja unterbrochen hast, sichtbar wichtiger als deine Bestellung.
Ich weiß jetzt nicht so recht, was mir besser gefällt, ehrlich. Das Geschwirre und Getue bei „Massimo“ war mir schon etwas übertrieben - für Bali. In Italien ok. Da gehört es vielleicht dazu. Da wollen die Leute betutelt werden und das Bad in der Glitzerwelt genießen.
Aber hier hat es fast schon etwas widersprüchlich Peinliches. In einem Land, in der das Private noch stark ins Geschäftliche reicht und das Dorfrecht noch weit vor dem Geschäftssinn rangiert.
„Will uns der Italiener eigentlich etwas beweisen?“, geistert es wohl in den Köpfen der Konkurrenten.
Am Mittwoch beginnt hier ja die Familienfestzeit, von „Galungan“. Elf Tage bis „Kuningan“ am 27.12.14 werden dann die Götter, Ahnen und Dämonen verehrt, dass es eine wahre Freude sein soll, wie alle sagen. Das Cafe hier wird dann geschlossen sein. Was auch nicht weiter schlimm ist, weil ich sowieso der einzige Gast war. Meist. Und ich reise ja am Donnerstag ab. Also nicht der Rede wert. Eine der Bedienungen wird für mich da sein, sie ist nämlich eine der seltenen Katholikinnen.
Die Leute spielen schon seit Tagen verrückt und basteln und flechten den lieben langen Tag. Ganze Frauenbataillone hocken im Schatten, schnattern (aufpassen, Bernd!) und stellen Wedel um Wedel her, die „Penjor“, die spätestens ab Dienstag Abend vor jedem Haus zu stehen haben, ausgenommen bei den Supermärkten.
Schon am Dienstag reist dann die ganze Familie an und das Spektakel kann beginnen. Ein Mädchen, das hier bedient, kommt aus dem unseligen Klungkung. Und sie nennt die Stadt so wie ich Dorf. Das wird langweilig, könnte ich ihr sagen! Im Spaß!
Der Tag vor den Festtagen war ruhig und still wie ein Festtag. Am Meer blieben alle Geschäfte geschlossen, nur wenige Einheimische fahren nicht in ihre Dörfer, sie sind in Sanur zu Hause. Im Schatten der großen Bäume hocken heute keine Leute und tratschen stundenlang. Alles wirkt aufgeräumt und scheint eine Ordnung zu haben. Eine feierliche Ruhe und Harmonie liegt über dem Strand. Der Himmel gibt sein Bestes. Die wenigen Touristen sind heute deutlich in der Überzahl.
Der Wind treibt von irgendwo eine Werbedurchsage vor sich her. Beim Kauf einer xy-Creme sei privates Glück gesichert. Das Wort „good luck“ dringt mit so großer Unglaubhaftigkeit über den Strand, dass ich annehme, die wenigen Balinesen, die sich noch herumtreiben, müssten mit großem Gelächter - wie es ihre Art ist - über das Wort herfallen.
Auf der Hauptstraße „Jalan Danau Tamblingan“ herrscht noch die übliche Geschäftigkeit, ein wenig abgemildert vielleicht. Zu den auffallendsten Festvorbereitungen am Vortag von Galungan gehört hier das Aufstellen der „Penjors“, mit denen alle Straßen geschmückt werden. Dies sind lange und kunstvoll verzierte Bambusstangen, deren Spitzen sich in einem anmutigen Bogen zur Straßenmitte hin neigen. Daran sind aus Palmblättern, Früchten und Blumen gearbeitete Opfergaben aufgehängt.
Vor dem Eingang eines jeden Hauses wird zudem ein kleiner Bambusaltar aufgestellt. Daran ist ein "Lamak" befestigt, ein langer schmaler, mattenähnlicher Behang.
Er wird aus dunkelgrünen Blättern der Zuckerpalme und hellgrünen Blättern junger Kokospalmen geflochten, meist in einem komplizierten Muster geometrischer Formen.
Die letzten Tage halte ich mich viel Zeit am Strand auf, jeden Tag an einer anderen Stelle.
Auch wenn es schüttet wie aus Eimern, lass ich mich nicht abhalten, denn ich weiß, der Regen ist hier schnell vorbei.
Dem Strand ist ein großes Korallenriff vorgelagert, das die sonst heimtückische Strömung abschwächt und man trotz geringer Wassertiefe doch etwas schwimmen kann.
Nur ein Hotel überragt hier entgegen balinesischer Tradition die Palmen, das „Inna Grand Bali Beach Hotel“. Die restlichen sind der grünen Natur angepasst. Der Strand von Sanur ist wenigstens 6 km lang, aber nicht überall reihen sich die Luxusanlagen und Superhotels. Es gibt auch große Abschnitte, an denen sich die Einheimischen aufhalten und sich kurze Zeit vergnügen oder Fischer, die in Ufernähe ihre Netze auswerfen. Dort fühle ich mich besser, weil dort auch das Leben pulsiert.
Am Mittwoch dann endlich der Galungan Haupt-Festtag, wenn die Götter aus ihren Himmeln herab in die Tempel steigen.
Jedermann ist bemüht, spätestens jetzt an seinem Heimatort, am Stammsitz seiner Familie zu sein, um das Fest zusammen mit den Angehörigen zu begehen.
Es ist schon ein Wahnsinn. Die spinnen wirklich, die Balinesen.
Ab heute Morgen und die nächsten 11 Tage zieht es sie, angetan mit ihren besten traditionellen Kleidern und festlich geschmückt, schon am frühen Morgen zu den Familienschreinen und in die veschiedenen Tempel, in denen nun Hochbetrieb herrscht.
Sie kommen zu Fuß, meist die Alten,
auf ihren geschmückten Motos (heute ist die Helmpflicht Makulatur) oder in den Autos,
fahren ihre speziellen Tempel im Banjar an und legen ihe Opfergaben aus. Hier türmen sich jetzt opulente und phantasiereich gestaltete Opfergaben von Speisen, z. B. aus Reisteig oder Fleisch, Flechtwerk und Blumen.
Kleinere Opfer bringt man auch zu den Reisfeldern, den Reislagern und zum Friedhof.
Die Frauen tragen am Nachmittag immer neue kunstvoll zu hohen Türmen aufgeschichtete Opfergaben auf den Köpfen herbei. In feierlichen Zeremonien werden sie vom Brahmanen-Priester gesegnet und jetzt als geheiligt wieder zu den Häusern zurückgebracht, wo man sie in der Familie gemeinsam verzehrt.
Als Außenstehender kann man nur den Enthusiasmus feststellen, mit dem die Rituale von jung und alt begangen werden. Kein Anflug von zur Schau gestellter Langeweile oder gar Kritik. Die Jugend opfert fraglos den Dämonen, die in diesen Tagen auch von ihnen besänftigt werden müssen. Nur wenige nehmen nicht teil und bleiben sitzen, vielleicht weil sie inzwischen den Glauben verloren haben. Viele sind das nicht.
Aber es ist schon ein guter Abschluss einer Balireise, an diesem Tag einen Blick in die Seele der Menschen zu werfen. Man kann den sanften und weichen Kern des balinesischen Gemüts deutlich spüren, die Demut vor den Kräften des Lebens und das ungeheure Zusammengehörigkeitsgefühl.
Hier scheint mir der Spruch von 1990 in Dresden und anderswo besser zu passen als damals, „Bali einig Vaterland“.
Zu riechen ist die Harmonie übrigens auch. Über den Straßen liegt heute ein besonders starker und betörender Blütenduft, Jasmin und Frangipani und andere Duftblüten gemischt mit dem Qualmduft der Räucherstäbchen.
Im Schmuck der Penjors und der übrigen Galungan-Dekoration und den festlich gekleideten Menschen bieten die Straßen ein zauberhaftes Bild, das fast allein einen Besuch auf Bali lohnt.
„Wenn du die Wahrheit suchst, sei offen für das Unerwartete, denn es ist schwer zu finden und verwirrend, wenn du es findest.“
Heraklit
Manche Menschen, die man in solchen Ländern sieht, sind so dünn, so erbärmlich schwach, dass sie vom Wind weggeweht werden. Gerade war noch das kümmerliche Leben. Und schon ist es weggeweht.
Eine alte, uralte Frau ohne Blick und mit einem kleinen Buckel quält sich jeden Tag mit einem großen Sack auf dem Kopf durch die Straße, sammelt darin Plastikmüll. Sie bewegt sich lautlos durch die Menge, langsam und so, als wäre sie nicht vorhanden.
Die Vielen nehmen sie nicht wahr. Sie ist unsichtbar. Als wäre sie schon gestorben vor langer Zeit. Ob sie tatsächlich noch im Leben steht, darf bezweifelt werden. Ihr Gang mit dem Sack auf dem Kopf hat etwas Gleichgültiges, man spürt fast das Einverständnis mit ihrem Zustand. Da ist längst kein Aufbegehren mehr, kein Widerstand. Nur der krumme Buckel verrät noch Spuren ihres ehemaligen Lebens.
Ein Mensch ist da. Er träumt von dem Leben, das vor ihm liegt. Meine Alte hat das Träumen aufgegeben. Sie hat den letzten Seufzer längst ausgestoßen. Lebt nur noch provisorisch weiter, von keinem beachtet.
Wenn ein Mensch stirbt, weil er eben ein Mensch ist und sterblich, haben wir große Ehrfurcht vor dem Leben. Die Alte hat sich verabschiedet, weil ihr das Leben keine andere Chance ließ. Sie ist am Leben gestorben, viele Tode gestorben, vor ihrer Zeit.
Die Trauer um die Welt ergreift mich so lange, bis sie aus meinem Blickfeld verschwunden ist. Unsichtbar.
Unsichtbar wie die Heerscharen an Dürren, Verstümmelten und Hungernden überall auf der Welt, die gerade jetzt, in diesem Augenblick Gott ihre leeren Hände entgegenstrecken.
Ein Windhauch kommt auf und weht sie alle weg.
Ich wundere mich, warum manche Kinder sich nicht weigern, geboren zu werden.
Ein Bild:
Die lange Reihe von Bettlern und Blinden, die vor den verschlossenen Toren der mittelalterlichen Stadt ankommen, die Hand des einen vertrauensvoll auf der Schulter des anderen.
Ich liege am Strand auf der Liege und schaue in den blau geschminkten Himmel. Die Sonne geht auf und unter, Leute kommen und gehen, die Zeit streicht vorbei wie ein Lufthauch.
Die Welt nimmt ihren Lauf, wie unbeteiligt, als könnte sie nichts dafür, nur ich habe mich festgefahren in diesem Land. Als Beobachter.
So klein es ist, ich bin voll davon. Es ist wie bei einem Festgelage. Köstlichkeiten stehen noch genügend auf dem geschmückten Tisch.
Ich aber bekomme keinen Bissen mehr herunter.
Morgen um 16.00 Uhr Ortszeit fahre ich mit dem Taxi zum Flughafen, am Freitag zwischen 9.00 -10.00 Uhr Ortszeit bin ich zu Hause. Dazwischen liegen mindestens 24 Stunden, 15 Flugstunden, der Rest ist Fahrt- und Wartezeit. Na, dann Prosit.
Das war’s.
Selamat tinggal, Bali indah!