Besuch bei Lutz und Pheng auf Don Det (PDR Lao)
Mamaleuah Don Det/Laos, 10. November 2019 Vor 2 Tagen brachen wir von Siem Reap nach Don Det auf. Ein Tagesreise bei eigentlich nur etwa 400 km. Allerdings mit einer zeitraubenden Grenze In den meisten Fällen glaubt man zuerst kaum, dass eine solche lange Reise hier in Asien tatsächlich klappen könnte. Wecker klingelt tatsächlich pünktlich, Frühstück just in time, Abholung per Tuk Tuk wie geplant um 7:30 Uhr, Abfahrt mit dem Minivan von AVT 8:00 Uhr, problemlose Fahrt auf ganz guten Straßen mit wenig Autoverkehr, Ankunft am Umsteigepunkt im Riverside GH in Stung Treng am Mekong 12:30 Uhr, Thaigericht und Bier, Warten bis 14:00 Uhr, Weiterfahrt an die kambodschanisch-laotische Grenze, Ausfüllen der Formulare für das Visum on arrival (was die alles wissen wollen - und das sogar mehrfach - den Kram liest garantiert nicht einmal ein Bürokrat), So oder ähnlich verläuft eine Tagesreise in Südostasien. Alles klappt! Der Empfang bei Lutz und Pheng war grandios. Da noch nicht zu viele Gäste im Restaurant waren, hatten wir viel zu erzählen bei Bier und etwas später bei frittierten Frühlingsrollen, Papayasalat und Larp, dem laotischen Nationalgericht und als Dessert einen selbstgemachten Kümmel-Karamell-Lao Lao. Total geschafft fallen wir unterm Mosquitonetz ins Bett. Filmrisz. Am Morgen staunen wir lange auf den Mekong und die Flusslandschaft, genießen den Bolavenkaffee, Omelett und Baguette und ein Obstmüsli, Für die nächsten beiden Tage ist schlechtes Wetter mit Regen und Abkühlung angesagt, weil zur Zeit ein Zyklon über die vietnamesische Küste zieht und die Auswirkungen auch hier am Mekong zu spüren sein werden. Vielleicht. Hoffentlich nicht. |
Don Det, 14. November 2019 Am Abend dann Diskussionsrunde bei einigen Runden Bier und viel Lao Lao (teilweise mit Kümmel + Karamell oder mit Limette). Teilnehmer: Michael, der Banker, das Pärchen Wiebke + Tobias, die sich ein Jahr Auszeit genommen haben und mit einem ausgebauten Pickup Asien und seine Menschen erkunden, sie (Lehrerin mit Elternzeit für ihren kleinen Sohn Ben, der mit auf die Reise kam) und er (Zauberer + Animator), Lutz, der Aussteiger und Betreiber von mamaleuah“ sowie Edith & Klaus, die verrenteten Herbstzeitlosen. Thema: Geldwirtschaft und digitale Obdachlosigkeit oder „Es gibt kein Wahres im Falschen“. Bis weit nach Mitternacht wurden die argumentativen Klingen gekreuzt mit oft ziemlich verblüffenden Ergebnissen - für alle Seiten. Verständlicherweise fand das Frühstück am nächsten Morgen später statt, was halb so schlimm war, denn der Zyklon über der vietnamesischen Küste wirkte sich hier am Mekong so aus, dass es kühl, sehr bewölkt mit wiederkehrendem starken Regen war. In Vietnam gab es durch den Taifun keine weiteren Komplikationen und hier regnet es nun schon seit 2 Tagen immer wieder und erst aber morgen ist Wetterbesserung in Sicht. Inzwischen habe ich eine aufkommende „Grippe“ mit Halsschmerzen und Husten bekämpft, aber sie ist schon im Abklingen. Tage also in der Hängematte. Als Lektüre die spannende Utopie der digitalen Gesellschaft von Richard David Precht: „Jäger, Hirten, Kritiker“ oder kleine Erzählungen von Jochen Schimmang: “...Adorno wohnt nicht mehr hier“. Das eine die großangelegte Analyse unserer Zeit mit den absehbaren Veränderungen und der angeschlossenen Frage:“ Wie wollen wir leben?“ und das andere amüsante Geschichten in feiner Sprache erzählt. Am Abend bastelte ein Cousin von Pheng ein hübsches Kratong, das ist ein kleines Bananenboot mit Blüten, Räucherstäbchen und Kerzen bestückt. Es ist nämlich Vollmondnacht im November und in Thailand feiert man das Lichterfest Loy Kratong. Hier in Laos wurde dieses Fest schon vor 4 Wochen am Oktobervollmond gefeiert. In einem Gästebucheintrag“bemängelte“ Bernd, er sei mit Google Earth auf Don Det gewesen und es gäbe nur wenig Bäume. Hier eine kleine Klärung: Si Phan Don (Viertausend Insel) ist eine grandiose Flusslandschaft und kein Wald. Südlich der Provinzhauptstadt Pakse erstreckt sich bis zur kambodschanischen Grenze dieses Gebiet im Mekong auf einer Länge von 50 km und einer Breite von 15 km. Hier findet sich ein großes Netz an meist unbewohnten Inseln. Die größte bewohnte Insel ist Don Khong, dann Don Khon, Don Som, Don En und Don Det. Sie alle sind mit Reisfeldern bewirtschaftet und es wachsen daher meist nur am Ufer Bäume. Viele der kleineren Inseln sind i n der Regenzeit von den Wassern des Mekong überflutet, was bedeutet, dass alles oder ein Großteil der Vegetation von etwa Mai bis Oktober unter Wasser ist. Hinzu kommt, dass in manchen Jahren, der Mekong im September enormes Hochwasser führt und riesige Flächen überschwemmt. Pakse stand z.B. in diesem September unter Hochwasser. Knapp die Hälfte von Laos ist bewaldet und etwa 8 Prozent der Wälder werden noch als Urwald eingestuft, zum Teil hat noch nie ein Mensch einen Fuß in diese vollkommen unberührten Wälder im Norden gesetzt. Mit geschätzten 41 bis 47 Prozent weist Laos zwar immer noch den höchsten Waldanteil Südostasiens auf, doch ist der Baumbestand seit Mitte der 1960er Jahre von damals 70 Prozent drastisch zurückgegangen. Gleichzeitig nehmen großflächige Brandrodungen zu, auf deren Flächen später Monokulturen entstehen, meist von chinesischen Investoren. So ist neben Plantagen für diverse Früchte, Kaffee und Kautschuk in den letzten Jahren vor allem die Zahl der Bananenplantagen im Nordwesten massiv gestiegen. Wobei diese Produkte zum Großteil nach Südchina gefahren werden. Zusätzlich hat Laos 2002 chinesischen Investoren eine grenznahe Sonderwirtschaftszone für 30 Jahre überlassen. Da in Laos nur etwa 10 Prozent des Bodens für die landwirtschaftliche Nutzung zur Verfügung stehen, wird diese Entwicklung die Situation der Einheimischen, die zu rund 85 Prozent ihren Grundbedarf an Nahrungsmitteln selbst decken, weiter verschärfen. In den fruchtbaren Ebenen, die am Mekong und seinen vielen Nebenflüssen liegen, wird intensiver Ackerbau betrieben. Es wird hauptsächlich Reis angebaut und zwar in einer geradezu fantastischen Vielfalt. Darüber hinaus finden sich dort Mais, Yams, Maniok, Sojabohnen, Baumwolle, Kartoffeln, Erdnüsse, Zucker, Tee und Kaffee auf den Feldern. Das Land am Mekong ist mit einer überaus reichen Tierwelt gesegnet, von der die meisten Arten in den Regen- und Monsunwäldern leben. Die Zeit, als man Laos das „Land der Millionen Elefanten” nannte, ist jedenfalls vorbei. Dabei ist der Elefant ähnlich wie in Thailand fester Bestandteil der nationalen Kultur: Als Wappentier war bis 1975 ein dreiköpfiger weißer Elefant auf der Flagge des Königreich Laos zu sehen. Neben Raubkatzen, Elefanten sowie einer reichen Vogelwelt mit über 600 Arten sind in Laos die verschiedensten Affenarten beheimatet, beispielsweise Plumploris, Schopfgibbons und Kleideraffen. Viele der heimischen Tiere stehen unter Schutz, etwa Büffel, Antilopen und Bären. Stellvertretend für Gefahren, denen die verschiedenen bedrohten Arten ausgesetzt sind, mag der Irrawaddy-Delphin stehen. Dessen von Schadstoffen und Dynamitfischern bedrohter Bestand dürfte in Laos de facto verschwunden sein (Im Süden von Don Khon in einem Becken des Mekong sollen noch 3 Exemplare leben, die vielen anderen sind wohl nach Kampi in Kambodscha gewandert). Gleiches gilt wohl für den Mekong-Riesenwels. So sind die vielfältigen Bemühungen des freundlichen, verschlafenen Landes, seine Natur und Umwelt zu erhalten, mit einem lachenden und einem weinenden Auge zu betrachten. Den unzähligen Öko-Tourismus-Trekking-Projekten und der Vielzahl der ausgewiesenen Nationalparks stehen ökologisch zweifelhafte Projekte wie der Bau der vielen (inzwischen nahezu 50 auf allen Flüssen) Staudämme gegenüber, deren Energie dem nördlichen Nachbarn geliefert wird. Wir warten meist in der Horizontalen auf die Sonne. Gestern am Nachmittag brach sich plötzlich die Sonne wieder durch die Wolken, tauchte die Flusslandschaft in ein mildes Licht und zauberte eine entspannte Stimmung auf Menschen und Natur. Welch ein Unterschied zum regnerischen Mekong! Vielleicht sind noch einige Zahlen zum Land interessant: Laos ist mit 29 Einwohnern pro qkm das am dünnste besiedelte Land Südostasiens (zum Vergleich: Deutschland mit 232 Einwohner). Und Laos gehört zu den ärmsten Ländern der Welt (Rang 133 von 182 Ländern im Entwicklungsbericht der UN), hat ein durchschnittliches, jährliches Pro-Kopf-Einkommen von 1150 USD, 7 von 100 Kindern sterben infolge von Unterernährung unter 5 Jahren. Dennoch ist Laos ein sehr junges Land, denn 40 % der Laoten sind unter 15 Jahren und die Lebenerwartung liegt bei 65 Jahren. Und jetzt: 80 % der Bevölkerung lebt von der unproduktiven Landwirtschaft und davon haben nur 53 % Zugang zu sauberem Trinkwasser. Und noch eines: Während des "Geheimen Krieges" in Laos warfen die amerikanischen Bomber mehr Bomben über dem Land ab, als im ganzen 2. Weltkrieg über Europa. Kaum zu glauben. Noch heute sterben Bauern auf ihren Äckern an Streubomben, denn erst etwa 60-70% der Fläche sind „bombensicher“. Etwa 44 Jahre nach dem Krieg.
Edith und Pheng ließen das Kratong begleitet von einigen Wünschen auf das Wasser des Mekong gleiten und man sah das Licht noch lange Zeit nach Süden flackern.
Und manchmal ragt ein bizarrer Regenbaum aus den Fluten. Größere Bäume und Sträucher sind meist von wuchernden Parasitpflanzen überwuchert, was zu einer dichten, oft undurchdringlichen Ufervegetation führt.
In den Monsunwäldern finden sich Baumarten, die ihre Blätter verlieren, beispielsweise Eisenholzbaum und Teakbaum. Während in diesen Wäldern auch Palisander und Bambus beheimatet sind, wachsen im Gebirge hauptsächlich subtropische Kiefern und Eichen.
Laos kämpft wie viele andere Länder Südostasiens mit der massiven Bedrohung seiner Waldflächen. Wie überall greift vor allem China mit Spinnenfingern nach dem Holz, nicht immer legal geschlagen, und Rohstoffen. Auch die boomende Möbelindustrie in Vietnam bedient sich in den Tropenwäldern des armen Landes.
Don Det, 15. November 2019
Impressionen von der Insel


Was macht Phengs Familie?

Mit dem Drahtesel um die Insel




"Fähre" im Norden der Insel legt ab


das westliche Sunsetufer

im Inselinneren die Reisfelder


Blick von der französischen Brücke auf die Nachbarinsel Don Khon


Schule ist aus



Ein schöner Tag mit den quietschenden Drahteseln, an denen gar nichts so richtig funktioniert, nicht mal die Bremsen, schön langsam um die tropfenförmige Insel. Man passiert laotisches Großfamilienleben, laotische Langsamkeit, laotische „Faulheit“ (nirgendwo kleine ordnende Ideen - lebendiges Chaos überall), laotischen Erfindergeist (was man mit alten Materialien alles machen kann), laotische Müdigkeit (jede einzelne Hängematte im Schatten ist jederzeit besetzt) und laotische Genauigkeit ( wenn die Fischer mit viel Geduld und Hingabe ihre Netze flicken).
Jetzt, da wieder die Sonne strahlt und die Wellen des Mekong glitzern, ist die Welt auf Don Det wieder in Ordnung. Nur eines fehlt.
Man sieht keine Wasserbüffel mehr. Lutz sagt, man brauche sie nicht mehr für den Reisanbau, da gibt es jetzt kleine Maschinen. Und der Büffel ist zu teuer, das Fleisch nicht begehrt. Also wechseln die Bauern um zu Rindern und Kühen, die mehr Nutzen bringen. Außerdem trotten die wenigen Büffel zur Reisernte nicht einfach frei herum, sind meistens angepflockt.
Sie fehlen im Bild, diese gutmütigen Kolosse und ihr Fehlen ist ein Zeichen für die neue aufkommende Zeit.
Sie gibt es aber überall.
Don Det, 18. November 2019
Im Süden von Don Det liegt auf der anderen Seite eines kleinen „Kanals“ die Insel Don Khone. Dorthin wollen wir heute wieder mal eine kleine Tour mit den Rostlauben machen.
Verbunden werden die beiden Inseln durch eine gemauerte Brücke, die eher an die Loire als nach Laos passen würde. Nur dass der Fluss darunter kein romantisches französisches Flüsschen ist, sondern träge grünbraune Wassermassen führt.
Zwischen 1866 und 1873 - in kriegerischen Zeiten also, während des deutsch-französischen Krieges noch - sandte die französische Kolonialmacht auf Befehl des französischen Kaisers Napoleon III. mehrere Expeditionen unter Ernest Douart de Lagree und Francis Garnier den Mekong flussaufwärts. Offiziell auf der Suche nach der Quelle, offensichtlich aber vor allem, um einen Zugang zum chinesischen Supermarkt zu finden. Die großen Wasserfälle Somphamit und Khon-Phapheng bei Si Phan Don machten diese Hoffnung aber augenblicklich zunichte.
Doch so schnell wollten die Franzosen nicht aufgeben. Zur Überbrückung der Wasserfälle bauten sie ab 1893 eine zehn Kilometer lange Eisenbahnstrecke von der Südspitze Don Khones bis zur Verladerampe im Osten von Don Det.
An diesen schon recht verzweifelten und ökonomisch eher absurden Versuch erinnert heute noch die Brücke zwischen Don Khone und Don Det und die Reste des alten Eisenbahndammes, auf dem man heute noch mit dem Rad die Inseln „erobert“.
Die Schienen sind längst abmontiert und anderweitig verwendet, nur der Schotter liegt vereinzelt noch hier und macht dann das Radeln zu einer holprigen Angelegenheit. Zu beiden Seiten des Damms breiten sich Reisfelder aus, ab und zu steht eine kleine, allmählich zerfallende Holzhütte auf Stelzen auf den Feldern.
Wir verlassen das Dorf auf dem Weg zum Somphamit-Wasserfall, der uns zunächst durch ein stilles, menschenleeres Wat führt, in dem ein paar Mönchlein Popmusik hören.
Dieses einfache, chillige Leben strömt eine sehr friedliche Stimmung aus und wir gondeln mit einem permanenten Lächeln im Gesicht durch die Landschaft trotz hollllllllprigem Weg mit superimprovisierten Stegen.
Aber anscheinend gibt es trotz Trägheit und Langsamkeit Entwicklung. Somphamit, der Wasserfall, der von den Laoten „Tad Li Phi“ (Geisterversteck) genannt wird, ist jetzt von einem Privatinvestor aufgekauft und die Veränderungen sind sichtbar. Es gibt eine Zipline, die längste in Laos selbstverständlich und einen „Badepark“ mit verschiedenen Möglichkeiten für besondere Gefühle. Da friert unser Permanentlächeln plötzlich ein - kurz zumindest.
Beim Bummel durch das Wasserfallgelände stellen wir fest, dass die Wassermenge für November gering ist und trotzdem haben die Wassermassen eine spürbare Gewalt an manchen Stellen. Das fast menschenleere Gelände, bringt uns wieder in Balance und beim vorbeiflatternden Schmetterling stellt sich das Lächeln wieder ein.
Sonnenuntergänge sind auf der Insel angesagt.
Einer der besten Plätze dafür ist das „Little Eden“ im Nordwesten von Don Det.
Bei einem kalten Bier sitzen wir auf der Terrasse des Lokals direkt am Wasser. Immer wieder knattert ein Fischerboot vorbei, Reiher fliegen im Formationsflug knapp über die Wasserfläche und die Sonne versinkt ganz langsam über Kambodscha.
Angezogen von diesem Spektakel hat sich die Terrasse in den letzten Minuten etwas gefüllt. Im Anschluss radelten wir bei Dunkelheit auf holprigen Sandwegen und abenteuerlichen Brücken mit den Quietschfahrrädern zurück zum mamaleuah Gh.
Am anderen Abend schipperte uns der Schwager von Pheng mit seinem Boot nach Norden durch die Wasserlandschaft des Mekong.
Zunächst am Ostufer bis zur Nordspitze von Don Det entlang brachte er uns in gemächlicher Fahrt an die Westküste der etwa 15m km langen Insel Don Som, die zwar bewohnt, aber über keinerlei touristische Einrichtungen verfügt. So zogen Häuser, Bootsanlegestellen, geschmückte Wats, Gemüsegärten an den Ufern
und eine verwachsene Vegetation verlangsamt wie in Zeitlupe an uns vorbei. Entschleunigung von Laos.
Irgendwann verirrt sich das Boot in einer phantastischen Wasserwelt mit kleinen - man könnte meinen - schwimmenden Oleanderinseln, größeren aber unbewohnten Inseln und von diversen Wasserständen des Mekong geformten Sandbänke, die gerade noch aus dem Wasser ragen.
Die funkelnden Wellen, die Uferlandschaft ist jetzt in mildes Abendlicht getaucht, die Ruhe des vergehenden Tages verzaubert, wenn die Menschen noch schnell ein erfrischendes Bad im Fluss nehmen. Und als die Sonne schon tief im Westen steht, ändert unser Bootsführer die Richtung, manövriert das Boot über kleine Stromschnellen,
setzt in seichtem Gewässer kurz auf, stört ab und zu Netze werfende Fischer in ihrem Areal und lädt uns schließlich auf einer Sandbank für den Sonnenuntergang ab.
Ein junges Völkchen hat sich hier bei einer Bambushütte versammelt und genießt bei Bier und Reggaemusik die Abendstunden. Wir den Sonnenuntergang.
Bei absoluter Dunkelheit steuern wir später auf die Lichter des Restaurants von Lutz zu.
Laos ist immer noch das Land der Langsamkeit. Ein grundsätzlich anderes Lebenstempo, das dieses Land in unserer temporeichen Zeit für viele so attraktiv macht.
Mit den Menschen hier kommt man zwar nicht so leicht in Kontakt. Sie sind höflich und lachen schnell, aber bleiben ziemlich lange reserviert und lassen dich, den Fremden aus einer anderen Welt, die sie nicht verstehen, völlig in Ruhe. Denn sie haben mit sich und ihrem Leben genug zu tun und Neugierde oder Wissensdurst ist den meisten fremd.
Anders ist der Kontakt mit den Einheimischen hier auf der Insel. Die große Familie von Pheng, deren Häuser und Leben wir vom Bungalow aus sehr gut über den Tag verfolgen können, ist zum Teil aufgeschlossener, viele Schwestern helfen kurz in den Bungalows oder im Restaurant. Man kennt sich also und lächelt sich an, wünscht sich einen guten Tag und ist freundlich. Häufig kommt MamaLeuah oder eine der vielen Schwestern mit einem Baby oder der kleinen behinderten Tochter auf dem Arm in die Küche oder badet mit ihnen vor der Terrasse im Mekong.
Lutz ist jetzt schon 10 Jahre auf der Insel, liebt das Land und die Menschen, wenn es nicht gerade zu Reibungsgewittern kommt, genau an der Kante von deutsch-laotischen Lebensentwurfsvorstellungen.
Ansonsten nimmt das Leben hier seinen Gang. Es wird geboren und gestorben - erst die letzten Tage gab es die Verbrennung eines Onkels der Familie - und die vielen Kinder und Tiere gegenüber im Gelände der Familie hinter dem Sandweg kennen das Wort "Langeweile" auf keinen Fall (oder Langeweile ist positiv). Gestern zum Beispiel standen etwa 10 Mütter und ebensoviele Kinder allen Alters einen halben Tag lang im seichten Nebenarm des Mekong und sammelten in Tüten und Eimern massenhaft Wasserschnecken. Und dies mit permanentem Geschnatter und Lachen und Schreien, direkt vor unserer
Bungalowterrasse. Großes Kino!
Zur Zeit wird der Reis auf den Feldern geerntet, weshalb man auch wenig Wasserbüffel sieht. Sie sind nämlich nahe der Häuser angepflockt und können nicht wie gewohnt den ganzen Tag durch die Lande streunen. Eben wie es die Hühner und Enten von nebenan tun. Sie picken durch das Gelände und heute Morgen sogar im Restaurant, fressen an den Pflanzen , bis sie von Pheng und Lutz mit Geschrei und Geflatter vertrieben werden. Ihr seht: die ländliche Idylle hier ist absolut intakt, aber auch hier gibt es klare Grenzen.
Am Morgen ein hell strahlender Tag mit einem Himmel so blau, von keinem Wölkchen getrübt. Die Enten und Gänse unter dem Bungalow weckten mich mit ihrem Geschnatter, der Hahn schon mal um vier Uhr in der Nacht. Edith schläft noch vor sich hin.
Ein neuer Tag beginnt. Vor dem Fenster fließt der Mekong beruhigend langsam, umspült lässig die vielen Oleanderinselchen, einzelne Fischer werfen schon ihre Netze aus, die Sonne wärmt schon deutlich, obwohl sie gerade erst hinter den Bäumen aufgetaucht ist.
Eine Stunde später hat die Sonne Höhe und Kraft gewonnen, die dicht bewaldeten Ufer gegenüber zeigen langsam deutliche Konturen. Die Luftwurzeln der riesigen Bäume, die sich in den abschüssigen rötlichen Lehmboden krallen, ausgeschwemmt von den Hochwassern, ragen wie Skelette ausgestorbener Tiere auf. Hahnenschreie zerteilen die Stille, gefolgt von albernem Hühnergegacker. Von irgendwoher weht Hundegebell, was selten ist.
Jetzt erwachen auch die Kinder und spielen mit viel Energie auf den Böden. Ein knatterndes Boot legt ab mit Frauen, die Gemüse auf dem Markt in Nakasang verkaufen werden.
Ist auf der Insel ein Haus erstmal gebaut, wird bis zum Zerfall nichts mehr daran gemacht. Vielleicht ein wenig ausgebessert oder angebaut.
Die Bretter eines alten Verschlages lagern also unsortiert und wild neben alten, verrosteten Motorenteilen, nicht mehr zu gebrauchenden Wassertöpfen, Säcken mit Reis, verbrauchte Kokosfasern, untaugliche Boote liegen versenkt am Ufer - und über allem der Staub der Jahrhunderte.
Am Morgen wird zwar der Lehmboden gekehrt, als erste Tätigkeit des Tages. Aber das sonstige Chaos bleibt. In alle Ewigkeit.
Laos reimt sich halt auf Chaos.

Don Det, 20. November 2019
Bei einem kleinen Ausflug auf die Nachbarinsel Don Khon kamen uns auf dem steinigen, holprigen Dorfweg am Nachmittag Kolonnen von Schülern entgegen, alle gutgelaunt und palavernd.
Selbst auf der französischen Brücke begegnete uns der bestaunte Untergang der Sonne.
Pheng und ihre Schwestern veranstalteten für uns ein regelrechtes Showkochen.
Am Nachmittag, als das Restaurant kaum besucht war, schnippelten und kochten sie im Wok zunächst ein rotes Curry mit pork,
das mit seiner cremigen Kokosnusssoße himmlisch schmeckt.
Dazu muss man sagen, dass alles, was die Frauen kochen, himmlisch schmeckt, ohne Ausnahme und die Gäste sind begeistert.
Wir haben alles gespeichert und hoffen, diese Köstlichkeit in Deutschland nachkochen zu können.
Im Anschluss wurde noch ein aufwändiges Fischgericht zubereitet. Das laotische Nationalgericht „Mok pa“ ist ein kleingeschnittener Mekongfisch,
der im Mörser mit allerlei Zutaten (Lemongras, Galangal, Chilli natürlich, Fischsoße, Chillipaste, Palmzucker, kleingeschnittene Kaffirblätter, Ei und Glasnudeln) zu einem Brei verarbeitet wird.
Anschließend wird die Füllung in ein Täschchen aus Bananenblättern gewickelt und und im Dampfkocher mit dem Sticky Reis gegart. Lecker!

Noch ein paar Tage und die Familie hat die Reisernte beendet.
Die letzten Tage haben viele Frauen und Männer den Reis in der prallen Sonne geschnitten und gebündelt. Eine harte und schweißtreibende Plackerei.

Neben vielen Häusern auf der Insel wird nun mit vorsintflutlichen Gerätschaften der Reis bearbeitet, auf Planen in der Sonne getrocknet und später in Säcke verpackt. Die Ernte reicht dann für die große Familie das kommende Jahr über. Für den Marktverkauf bleibt selten etwas.
Der größte Teil der Bewohner - und wer nicht unmittelbar vom Tourismus lebt - von Don Det und Don Khon lebt als Bauer und Fischer auf einem kleinen Anwesen, bestehend aus großem Stelzenhaus und eventuell kleinen Hütten daneben. Auf dem Gelände herrscht wie gesagt richtiges Chaos, enormes Durcheinander von Schrott, Holzabfällen, Müll, irgendwelchen Geräteteilen, Kokosnussbergen, Schläfern in Hängematten und spielenden nackten Kindern.
Dazwischen kokettieren schlanke schwarze Hühner, picken überall wie die Idioten, Enten watscheln (wie könnte es anders sein - hat man schon mal eine Ente schreiten sehn?), Wasserbüffel ziehen ihre unendlichen Kreise, ein Hängebauchschwein liegt unter dem Haus in einem Schlammloch und grunzt vor sich hin, Kühe und Ziegen stehen ratlos im Reisfeld nebenan, hinter einem schiefen Bambuszaun wächst Gemüse und freut sich auf ein knackiges Ende.
Man stellt Tofu und Reispapier her, lässt beides in der Sonne trocknen, auch den Reis, auf blauer Folie ausgelegt, am Ufer liegt ein schlankes Ruderboot und eines mit Außenborder und auf einem Holzgestänge neben einigen Reusen flattert ein großes Netz im Wind.
Allerdings sieht man auch Armut und Elend hier und da. Vor allem am Rande der Dörfer. Dort hausen in kleinsten zerfallenen Hütten Familien und alleinstehende Mütter mit ihren schmutzerstarrten Kindern. Sie leben am Boden, man kann nicht erkennen, wovon sie sich ernähren und will auch nicht wissen, wohin dies noch führen mag.
Man steht sehr früh auf, kehrt die Wege, kümmert sich um die Tiere und Kinder, isst etwas Reis, macht Erledigungen, hat Zeit, fischt mit Netzen im Mekong,
schaukelt ein Stündchen in der Hängematte, isst mit der großen Familie im Hof Reis und Gemüse, etwas Hausarbeit, sammelt Wasserschnecken im seichten Wasser,
schläft ein Stündchen in der Hängematte, hütet die Wasserbüffel am Wasser, in der Abendsonne badet und wäscht man im Mekong, wenn es dunkel wird isst man und trinkt und schwatzt noch ein wenig, geht dann schlafen.
Die Familien sind zufrieden und alle Bilder verströmen große Ruhe.

Morgen um 8 Uhr bringt uns ein Boot rüber ins Dorf, von dort mit dem Bus über die Grenze zurück nach Kambodscha und am Nachmittag werden wir uns in Kratie am Mekong mit Sokra treffen.
Weiterlesen im Kapitel "Mit Sokra durch Kambodscha"