Reisetagebuch 2012-13
Am 29. Oktober 2012 heben wir mit quatarairways ab nach Osten.
Und landen etwa 13 Stunden später in der globalisierten Metropole Bangkok.
Dort wird unsere halbjährige Reise beginnen in einem Gebiet, das vor hunderten von Jahren von den Europäern noch Hinterindien genannt wurde, später dann – zu Zeiten des französischen Kolonialismus – Indochina und heute – betont neutral – Südostasien.
Thailand wieder zu sehen, war seit 2008 immer schon unser Wunsch gewesen, wegen der wilden Landschaft, des leckeren Essens, den Bilderbuchstränden und den liebenswerten Menschen natürlich.
Warum aber nach Myanmar?
Verantwortlich war sicher ein Film, der uns dieses Land trotz Militärdiktatur und Menschenrechtsverletzungen als eines der letzten Paradiese der Entschleunigung näher gebracht hat und eine Antwort des Dalai Lama auf die Forderung zum touristischen Boykott seines Landes. „Geht auf Reisen. Sprecht mit so vielen Menschen wie möglich.“ In einer Welt der Missverständnisse und verhärteten Fronten betrachte er es als positiv, dass Touristen auch die isoliertesten Gebiete der Erde besuchen. Bestärkt hat uns ein Bildband mit goldenen Stupas, den tausenden Lächeln Buddhas, den roten Umhängen der Mönche, mit bunten Märkten, den historischen Pagoden des Tempelfeldes von Bagan, der stillen Faszination des Inle Sees und seiner Bewohner und eben der unglaubliche Reiz einer Reise in die Vergangenheit.
Südostasien also - eine Region, deren Bewohner über viele Generationen hinweg Kriegen, Hungersnöten, geknebelter und gebremster Entwicklung, Gräuel aller Art, Bevormundung und Unterdrückung durch fremde Mächte ausgesetzt waren. Eine Region, die wie keine andere von einem mächtigen Strom geprägt wird, dem Mekong, der „Mutter aller Wasser“ - wie die Menschen ihn nennen.
Allerdings: Bevor die christlichen Europäer aufkreuzten, war es hier ja auch nicht gerade friedlich. Die Asiaten gerieten sich auch in den Vorzeiten in die Haare, wenn ihre Führer und Gottkönige um Macht und Vormachtstellung kämpfen ließen. Die Reiche der Khmer, von Siam und das birmanische Reich hatten zu jeweils anderen Perioden Blütezeiten und wollten expandieren, was natürlich auch hier zu Überfall, Zerstörung, Versklavung, Tributzahlungen und Mord und Totschlag führte.
In einem der berühmtesten Tempel von Angkor, dem Bayon wurde dieser Kampf auf sehr eindrucksvolle Weise in Stein geschlagen. Am Sockel der Tempelanlage breiten sich über Hunderte von Metern Reliefs aus, die von religiösen Legenden und dem höfischen Leben erzählen, den ländlichen Alltag abbilden und – wie könnte es anders sein – vom Krieg berichten. Zu Lande und zu Wasser. Auf den Reliefs des Bayon wird gekämpft, gelitten, gestorben und gesiegt natürlich. Brutal und schonungslos.
In dieser Zeit haben sich in vielen Kriegen die heutigen Völker und Nationen wie Birma, Thailand, Laos, Kambodscha und Vietnam herausgebildet. Und es ging dabei auch nie zimperlich zu.
Und wie zum Hohn dieser Geschichte stehen wir heute als Betrachter voller Ehrfurcht und Bewunderung vor den großen Zeugnissen der Hochkulturen, vor sakralen Bauten und Klosteranlagen, den Zeichen jeweiliger Sieger, und vergessen gerne, dass diese von der UNESCO geschützten Kulturdenkmäler zwar allesamt Zeugnisse der Schönheit und der menschlichen Schöpferkraft sind, vor allem aber solche der Macht und dass sie ohne den erbeuteten Reichtum und die Arbeitskraft der Gefangenen und Sklaven niemals gebaut worden wären.
Aber eines ist klar: Kein asiatischer Herrscher, und war er noch so grausam, hat so massenhaft und folgenreich Tod und Verderben ausgelöst wie es die Europäer im letzten Jahrhundert taten.
Zu Beginn des Jahrhunderts formierten sich unter dem Beispiel der Sowjetunion Befreiungs- und Unabhängigkeitsbewegungen, wobei ein Mann über seine Landesgrenzen hinaus zur Leitfigur Indochinas wurde: Nguyen Tat Than, als Ho-Chi-Minh weltberühmt geworden.
Der 2. Weltkrieg und die Gräueltaten des faschistischen Japan und der europäischen Truppen beschleunigten die Unabhängigkeitsbestrebungen überall.
Im Indochinakrieg gegen Frankreich und etwas später im Vietnamkrieg gegen die USA kämpften jeweils nationale Befreiungsfronten wie der Vietcong, der Pathet Lao, die Roten Khmer.
Etwa 4 Millionen Tote gehen auf das Konto der Indochina-Kriege, Millionen von Flüchtlingen und Entwurzelten, als Spätfolgen des von Amerikanern versprühten Entlaubungsgiftes Agent Orange werden dort noch immer geistig und körperlich behinderte Kinder geboren, Millionen unentdeckter Landminen von damals fordern noch heute ihre Opfer – Blinde, Arm-und Beinamputierte, bedauernswerte Kreaturen.
Spätestens nach der Beendigung des „Kalten Krieges“ und dem Blockdenken geriet in der Region die Marktwirtschaft ins Blickfeld und viele ausländische Investoren setzten auf den Tourismusboom.
Das Zeitalter von Mickey Maus und Coca Cola konnte auch unter der Herrschaft kommunistischer Parteien beginnen.
Die Grenzen öffneten sich, Handel weitete sich aus, die dafür notwendige Infrastruktur entstand, die Wirtschaft boomte. Aber: demokratische Strukturen und stabile Verhältnisse entwickelte sich in keinem der Länder.
Korruption ist das Grundübel und Bereicherung sowieso, Menschenrechtsverletzungen ein Dauerthema.
In Vietnam und Laos herrscht eine kommunistische Einheitspartei mit Technokraten, Betonköpfen und einer gefräßigen Elite im Politbüro und den Spitzenämtern. Es regieren der alte Marx und der jugendlich dynamische Money in trauter Gemeinsamkeit.
Kambodscha leidet noch immer unter dem Trauma des von den Roten Khmer um Pol Pot und seinen Schergen angerichteten Massenmordens und den Spätfolgen des Vietnamkrieges.
Birma oder Myanmar ist im Würgegriff einer Militärjunta, von der in den letzten Jahren jede Opposition niedergeknüppelt, niedergeschossen, verfolgt und gefoltert wurde.
Seit einemJahr ist ein Lüftchen der Lockerung und Reform zu spüren und Aung San Suu Kyi, die Friedensnobelpreisträgerin, hat mit ihrer Partei bei den Nachwahlen im April von 45 Sitzen gar 42 errungen, ohne dass das Militär bisher aktiv geworden wäre.
Inzwischen besteht Myanmar für die geilen Westmedien eigentlich nur noch aus der Nobelpreisträgerin, die überall wie ein Superstar gefeiert und in Szene gesetzt wird.
In Thailand, dem Vorzeigeland, dem der Westen gerne das Etikett "lebendige Demokratie" anheften würde, hat Rama IX., König Bhumipol, seit 1946 auf dem Thron und inzwischen 86 Jahre alt und dement, mehrere Putschversuche durch die Armee geduldet, auch gegen zivile Regierungen, die in demokratischen Wahlen hevorgebracht wurden – wie z.B. die Thaksin-Regierung, 2001 und 2005 von der Mehrheit des Volkes gewählt und 2006 vom Militär weggeputscht. Die Stabilität des Landes ist relativ und es bleibt die Frage, wer nach dem Tod Bhumipols das tief gespaltene Land zusammenhalten kann. Die Stimmung zwischen "Rothemden" und "Gelbhemden" ist durch den Verfassungsstreit im Sommer wieder aufgeheizt worden, so dass man jederzeit mit gewaltsamen Aktionen rechnen kann.
"Demokratie" kann man zu diesem System jedenfalls nicht sagen, in dem die Generäle im Hintergrund seit Jahren die Fäden in der Hand halten.
Wenngleich die Menschen Südostasiens im 20. Jahrhundert durch das dunkelste Kapitel ihrer Geschichte gegangen sind, sind sie heute beinahe „Herren im eigenen Haus“, soweit man das in der globalisierten Welt überhaupt noch sagen kann.
Aber eines ist klar: Über Südostasien weht der Wind des Aufbruchs und der Erneuerung. Betrachtet man die jährlichen Zuwachsraten, nahe am zweistelligen Bereich, dann kann man sagen, der Mekong fließt heute durch eine der dynamischsten Regionen der Welt.
Unser Reiseplan für Edith's Sabbathjahr von Ende Oktober 2012 - Mai 2013:
1. Reise in ein verloren geglaubtes Land - Union von Myanmar
1.-27. November 2012
2. An den Stränden von Südthailand und bei den
Bergvölkern des Nordens
27. November 2012 - Mitte Januar 2013
3. Unterwegs am Mekong - Große Flussfahrt vom Goldenen Dreieck
über Laos, Kambodscha zum Delta in Vietnam
Mitte Januar - Anfang März 2013
4. Im Land des Drachens - Von Süd- nach Nordvietnam
Anfang März - Ende April 2013
5. Besuch beim "Dschungelkind" im "Taman Negara" -
Die Regenwälder Malaysias
Ende April - Ende Mai 2013
30.10.12 - Halloween
Es war längst wieder mal Zeit.
Zeit zum Abhauen und zum Abheben. Aufbrechen für ein halbes Jahr nach dem nicht ganz ernst gemeinten Motto: Besser verreisen als vergreisen.
Im offenen Restaurant spielen die Leute ihr unkompliziertes Leben nach. Alles hängt, lungert und lächelt. Mit diesen Menschen werden wir die nächsten Monate verbringen.
Nach einigen Stunden Schlaf im Himmelbett - im Flieger war daran beim besten Willen nicht zu denken - und nach einem nicht so himmlischen Mango-Lassi machen wir uns auf den Weg ins Viertel, kommen in den festlich geschmuckten Tempel Wat Bonovives und geniessen die Stille der Klosteranlage und die Kontemplation der Monche. Untergebracht ist in ihm eine Universitat fur Heilpflanzen.
Uberraschend ging die Sonne Punkt 6 Uhr blutrot uber den Prangs und Bots unter. Ein kleiner Schwenk zum Fort Sumen hinunter an den diesmal von Schmutz und Abfallen uberquellenden Chao Phraya. Am Flussrestaurant leisteten wir uns fur unerhort viele Bahts ein leckeres Willkommensmenu mit Catfish und rotem und scharfem Huhnercurry.
Nach einem weiteren Leo Bier fielen die Augen von alleine zu und wir selig schlummernd ins Bett.
Ich glaube, so mancher kennt das lästerliche Gefühl: wie begehrenswert seine Stadt plötzlich erscheint, - wenn er ihr den Rücken gekehrt hat.
Heute fuhren wir nach einem Morgenkaffee fur 15 Baht mit dem Expressboot den Fluss hinunter und genossen die Fahrt uberschwenglich - ahnlich wie vor 4 Jahren. Und wieder wie schon vor 4 Jahren verkniffen wir uns am Konigspalast und Wat Phra Kheo, fur Eintritt und geliehener Sittlichkeitskleidung satte 1200 Baht zu lohnen, wodurch wir uns auch nicht durch die Touristenstrome aus aller Herren Lander qualen mussten.
Einige Zeit verbrachten wir am neuen Sanam Luang, der "koniglichen Wiese" und im Lak Muang, dem stadtischen Schrein, wo wir uns ausfuhrlich der Opferfreudigkeit der Thais beobachtend widmeten.
Am Abend wieder einige Biere bei indischem Dal, Huhner Masala, Mutton Korma, Naanbrot und Reis.
Morgen, am Donnerstag 1.11.12, werden wir nachmittags nach Yangon-Myanmar fliegen.
Nach dieser vertrauten Ankunft im fast schon heimatlichen Banglampoo beginnt jetzt das Ungewisse und das kleine Abenteuer.
Vielleicht werdet ihr erst spat wieder von uns lesen.